Prof. Dr. Gerd Waschbusch
2.3.1 Vorbemerkungen
Rz. 9
Die §§ 230–236 HGB enthalten sowohl zwingende als auch dispositive gesetzliche Regelungen zur stillen Gesellschaft. Als zwingende gesetzliche Regelungen sind neben den notwendigen Begriffsmerkmalen einer stillen Gesellschaft die Einsichts- und Auskunftsrechte des stillen Gesellschafters, das Kündigungsrecht eines pfändenden Gläubigers, das außerordentliche Kündigungsrecht eines Gesellschafters, die Verlustdeckungspflicht des stillen Gesellschafters in der Insolvenz sowie die Anfechtbarkeit von Rückzahlungen in der Krise anzusehen. Sofern die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gegeben sind, stellt auch die Anfechtung nach § 135 InsO eine zwingend zu beachtende Regelung dar.
Rz. 10
Im Vergleich zu den zwingenden gesetzlichen Regelungen können die dispositiven gesetzlichen Regelungen in den §§ 230–236 HGB entweder im Gesellschaftsvertrag abbedungen oder dort abweichend von den gesetzlich angestrebten Inhalten ausgestaltet werden, ohne dass als Folge hiervon die Rechtsform der stillen Gesellschaft nicht mehr vorliegt. Das Vorliegen von dispositiven gesetzlichen Regelungen in den §§ 230–236 HGB ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die stille Gesellschaft eine reine Innengesellschaft darstellt und der Gesetzgeber deshalb auf Vertretungs- und Gläubigerschutzregelungen sowie auf Vorschriften hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens verzichten konnte.
Rz. 11
Abgesehen von den vorstehend angesprochenen zwingenden gesetzlichen Regelungen liegt im Recht der stillen Gesellschaft Vertragsfreiheit vor. Daraus resultiert eine große Vielfalt an unterschiedlichen Ausgestaltungsformen der stillen Gesellschaft. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht lassen sich indessen die beiden prägenden Ausgestaltungsformen der stillen Gesellschaft, nämlich die typische stille Gesellschaft und die atypische stille Gesellschaft, unterscheiden. Bei dieser Unterscheidung gilt es jedoch zu beachten, dass die Begriffe der typischen und atypischen stillen Gesellschaft weder im Zivil- bzw. Handelsrecht noch im Steuerrecht gebraucht werden und es sich insofern nicht um Rechtsbegriffe, sondern lediglich um konkretisierende typologische Bezeichnungen im Hinblick auf die verschiedenen Rechtsfolgen und unterschiedlichen Regelungssysteme handelt.
2.3.2 Typische stille Gesellschaft
Rz. 12
Bei der typischen stillen Gesellschaft entspricht die Ausgestaltungsform nach der h. M. dem handelsrechtlichen Regelungsmodell der §§ 230–236 HGB. Zu diesem handelsrechtlichen Regelungsmodell gehören sowohl die zwingenden als auch die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen der §§ 230–236 HGB. So ist in Abgrenzung zur atypischen stillen Gesellschaft eine typische stille Gesellschaft insbesondere durch das Fehlen jeglicher Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen und an der Geschäftsführung sowie durch ihre Zweigliedrigkeit ohne verbandsmäßige Organisation charakterisiert. Zu den weiteren üblichen Kennzeichen typischer stiller Gesellschaften gehören u. a. eine verhältnismäßig kurze Laufzeit des stillen Gesellschaftsverhältnisses, eine fehlende Beteiligung des stillen Gesellschafters an den laufenden Verlusten und am Liquidationserlös der stillen...