Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Bauunternehmer B aus Bautzen führt regelmäßig in Deutschland Rohbau- und Putzarbeiten aus. Teilweise lässt er die Arbeiten – insbesondere kleinere Aufträge – auch durch von ihm beauftragte Subunternehmer ausführen. Von seinem zuständigen Finanzamt hat B im Oktober 2020 die Bescheinigung "USt 1 TG" erhalten.
Im Oktober 2021 bekommt er den Auftrag, bei der Renovierung eines Einfamilienhauses Innenputzarbeiten auszuführen. Da er wegen eines großen Auftrags kein Personal verfügbar hat, er den Auftrag aber auch nicht ausschlagen will, beauftragt er den ihm bekannten aus Slowenien kommenden Subunternehmer S mit den Putzarbeiten. S hat den Sitz seines Unternehmens nachweislich in Slowenien, B ist aber bekannt, dass sich S häufig bei seiner deutschen Freundin in Bautzen aufhält. Für die Putzarbeiten wird ein Preis von 2.000 EUR ausgehandelt, da B dem S das notwendige Material (Wert 1.000 EUR) an der Baustelle stellt. S versichert ihm – auch unter Vorlage einschlägiger Unterlagen –, dass er in seinem Heimatstaat unter die Begünstigung als Kleinunternehmer fällt; in Deutschland hat S in den vergangenen Jahren nie für mehr als jährlich insgesamt 5.000 EUR gearbeitet.
Im Oktober 2021 sind durch einen Sturm Schäden an dem Dach des von B selbst bewohnten und nicht für unternehmerische Zwecke verwendeten Einfamilienhauses entstanden. Da B nicht schwindelfrei ist, beauftragt er den ihm seit Jahren bekannten Dachdecker D mit den Reparaturarbeiten. Nach Abschluss der Arbeiten überweist B dem D 2.000 EUR für die Reparaturarbeiten.
2.2 Fragestellung
B möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus den genannten Sachverhalten ergeben. Alle notwendigen Nachweise werden von B gegenüber seinen Auftragnehmern geführt.
2.3 Lösung
Alle Beteiligten sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind; dass es sich teilweise um ausländische Unternehmer handelt, ist dabei ohne Auswirkung.
Die Unternehmer S und D führen gegenüber B Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG aus, da sie sonstige Leistungen bzw. Werklieferungen an Gebäuden ausführen. B ist ein Leistungsempfänger, der selbst im Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung Bauleistungen i. S. der Vorschrift ausführt. Ob B für die ihm gegenüber ausgeführten Leistungen zum Steuerschuldner wird, hängt zum einen davon ab, unter welche Regelung des § 13b UStG die Leistung fallen kann, und zum anderen, welche Leistungen B seinerseits am Markt ausführt.
Unmittelbare Verknüpfung zu einer bestimmten Ausgangsleistung nicht notwendig
Für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen auf den Leistungsempfänger ist es nicht erforderlich, dass die an den Unternehmer ausgeführte Bauleistung unmittelbar für eine Ausgangsbauleistung verwendet wird. Der Leistungsempfänger ist dann als bauleistender Unternehmer anzusehen, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 10 % seiner weltweit ausgeführten Umsätze als Bauleistungen erbracht hat. Dies bescheinigt ihm die Finanzverwaltung mit dem Formular USt 1 TG.
Die Putzarbeit des S ist eine in Deutschland ausgeführte Werkleistung. Eine Werklieferung scheidet aus, da das notwendige Material von B beigestellt wird. Die Werkleistung wird an dem Grundstücksort ausgeführt und ist damit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung ergibt sich nicht.
Im vorliegenden Fall treten 2 Reverse-Charge-Regelungen in Konkurrenz: Die Leistung stellt sowohl eine sonstige Leistung eines ausländischen Unternehmers dar als auch eine Bauleistung gegenüber einem bauleistenden Unternehmer, da B als bauleistender Unternehmer anzusehen ist und ihm dies auch von der Finanzverwaltung mit dem Formular USt 1 TG bescheinigt worden ist. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 UStG geht aber die Nr. 1 der Regelung der Nr. 4 vor. Damit wird B zum Steuerschuldner für die an ihn ausgeführte Leistung unabhängig davon, ob er als bauleistender Unternehmer anzusehen ist.
S ist auch ausländischer Unternehmer nach § 13b Abs. 7 UStG, da er nach den Sachverhaltsangaben den Sitz seines Unternehmens in Slowenien hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch den häufigen Aufenthalt bei seiner deutschen Freundin ein persönlicher Wohnsitz in Deutschland begründet wird. Nach § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG geht in einem solchen Fall der Sitz des Unternehmens vor, sodass S als ausländischer Unternehmer gilt und für die von ihm ausgeführte Leistung das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt.
Übergang der Steuerschuldnerschaft auch bei inländischem Unternehmer
Wäre S nicht als "ausländischer Unternehmer" anzusehen, würde die Steuerschuld dennoch auf B übergehen. In diesem Fall läge eine Bauleistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 UStG vor, da B diese Leistung als bauleistender Unternehmer bezieht und die notwendigen Nachweise vorliegen.
Etwas anderes ergibt sich für die Leistung des S auch nicht aus § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG. S mag zwar nach slowenischem Recht einer ...