OFD Karlsruhe, Verfügung v. 2.2.2004, S 0700 - S 0735 - Karte 1
1. Allgemeines
Die Finanzämter haben das Aufkommen der von ihnen verwalteten Steuern im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu sichern. Hierzu kann die Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten notwendig werden. Bei einzelnen Finanzämtern sind hierfür Straf- und Bußgeldsachenstellen (Strabu-Stellen) mit Zuständigkeit jeweils für mehrere Amtsbezirke eingerichtet. Aufgabe der Strabu-Stellen ist es, den Festsetzungsbereichen der Finanzämter straf- und bußgeldrechtliche Unterstützung zur Sicherung des Steueraufkommens zu geben. Die Strabu-Stellen haben die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV (St)) zu beachten.
Die Strabu-Stellen werden hauptsächlich aufgrund von Anzeigen tätig, die ihnen aus den Bereichen der Finanzämter zugehen, in denen bei der Bearbeitung der Steuerfälle im Einzelfall der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erwächst. Die nachfolgenden Weisungen sollen dazu beitragen, dass die Festsetzungsstellen und Prüfungsdienste bei der Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach einheitlichen Grundsätzen mitwirken. Dadurch soll erreicht werden, dass die Strabu-Stellen nicht Anzeigen zu bearbeiten haben, in denen ein Verdacht bei sachgerechter Betrachtung von vornherein nicht gegeben ist, andererseits aber gebotene Anzeigen auch nicht aus Fehlbeurteilung unterbleiben.
2. Anwendung der Straf- und Bußgeldvorschriften
2.1 Die §§ 369 – 412 AO gelten für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder durch Recht der Europäischen Gemeinschaften geregelt sind und die von den Finanzämtern ganz oder zum Teil verwaltet werden (§ 1 Abs. 1, 2 AO). Sie gelten außerdem, soweit das AO-Anwendungsgesetz des Landes ihre entsprechende Anwendung vorschreibt. Auf die Kirchensteuer sind die Vorschriften nicht anwendbar (§ 21 Abs. 3 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg).
Seit dem 1.1.1993 gelten die §§ 369 – 412 AO auch für Taten, die sich auf Umsatzsteuern beziehen, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften verwaltet werden (§§ 370 Abs. 6 Satz 2, 379 Abs. 1 Satz 3 AO).
2.2 Auf steuerliche Nebenleistungen (§§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 3 AO), Prämien (§ 8 Abs. 2 WoPG, § 5a BergmannsPG), die Arbeitnehmer-Sparzulage (§ 14 Abs. 3 des 5. VermBG), die Altersvorsorgezulagen (§ 96 Abs. 7 EStG) und die Arbeitnehmerzulage gemäß § 28 BerlinFG (§ 29a BerlinFG) sind die Straf- und Bußgeldvorschriften entsprechend anzuwenden.
2.3 Bei der unberechtigten Inanspruchnahme von Investitionszulagen nach dem InvZulG und dem FöGbG gelten die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend (§ 5a InvZulG). Bestraft wird aber ggf. wegen Subventionsbetrug (§ 264 StGB).
Der Subventionsbetrug nach § 264 StGB unterscheidet sich von der Steuerhinterziehung vor allem darin, dass er als Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Zulage gewährt worden ist. Anders als bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO reicht leichtfertige Begehung aus.
2.4 Bei der unberechtigten Inanspruchnahme von Eigenheimzulage gelten ebenfalls die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verfolgung von Steuerstraftaten (§ 15 EigZulG). Bestraft wird wegen Betrugs (§ 263 StGB).
3. Steuerhinterziehung
3.1 Objektiver Tatbestand
Ein Vergehen der Steuerhinterziehung begeht, wer durch positives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder durch Unterlassen trotz einer bestehenden Rechtspflicht (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bewirkt, dass Steuern nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Eine Steuerhinterziehung ist auch im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren möglich. § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO betrifft ausschließlich den Bereich der Zölle und Verbrauchsteuern.
Die Tat wird als Verbrechen bestraft, wenn die Voraussetzungen des § 370a AO erfüllt sind.
3.2 Subjektiver Tatbestand
Neben diesen objektiven Tatbestandsmerkmalen setzt Steuerhinterziehung die vorsätzliche Begehensweise voraus (subjektiver Tatbestand). Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen aller maßgeblichen Tatbestandsmerkmale. Schon indirekter (bedingter) Vorsatz, d.h., wenn der Täter die Tatbestandserfüllung für möglich hält und sie – insbesondere den Erfolg – billigend in Kauf nimmt, reicht aus.
3.3 Versuch
Nach § 370 Abs. 2 AO ist der Versuch der Steuerhinterziehung strafbar. Versuch kommt in Betracht, wenn die Tat (Hinterziehungshandlung) nicht vollendet wurde, d.h., wenn nicht alle Merkmale des objektiven Tatbestandes erfüllt sind. Was Versuch ist, ergibt sich aus § 22 StGB. Danach versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Wann strafbarer Versuch vorliegt, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Bei der Steuerhinterziehung als Handlungsdelikt ist in der Regel Versuch anzunehmen, wenn die unrichtige Erklärung beim FA eingegangen ist. Die Abgabe der...