Leitsatz
1. Eine strafbefreiende Erklärung ist unwirksam, wenn ihr keine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit zugrunde liegt.
2. Die durch die Abgabe der Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist in diesem Fall jedenfalls zur Beseitigung eines Rechtsscheins aufzuheben.
3. Gleiches gilt, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit nicht festgestellt werden kann.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 6, § 10 StraBEG
Sachverhalt
Mit "strafbefreiender Erklärung" nach dem StraBEG gab der Kläger gegenüber dem FA für die Jahre 1993 bis 2002 zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen und eine daraus errechnete und vom Kläger auch entrichtete Abgabe von 1.399.501,68 EUR an. Die strafbefreiende Erklärung betraf u.a. die Schenkungsteuer für die Übertragung des Vermögens der Stiftung X in Liechtenstein auf den Kläger, die Übertragung von Vermögen des Klägers auf die neu gegründeten Stiftungen Y und Z in Liechtenstein und die Rückübertragung dieses Vermögens auf den Kläger. Hierauf entfiel eine Abgabe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG von 965.489,75 EUR.
Nachdem der BFH (Urteil vom 28.6.2007, II R 21/05, BStBl II 2007, 669, BFH/PR, 2007, 435) die Schenkungsteuerbarkeit der Vermögensübertragung auf eine Auslandsstiftung bei fehlender freier Verfügungsmacht der Stiftung verneint hatte, beantragte der Kläger die Änderung der strafbefreienden Erklärung. Diesen Antrag lehnte das FA ab; der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage teilweise statt und verpflichtete das FA zur Herabsetzung der Abgabe um 315.779,20 EUR, weil die Übertragung des Vermögens der Stiftung X auf den Kläger nicht schenkungsteuerbar gewesen sei. Die Stiftung X habe nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im Innenverhältnis zum Kläger nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen können. Ebenso habe es sich wahrscheinlich bei den Stiftungen Y und Z verhalten, was aber wegen fehlender Unterlagen nicht abschließend festgestellt werden könne und zulasten des Klägers gehe (Schleswig-Holsteinisches FG vom 29.11.2012, 1 K 184/09, Haufe-Index 3552407, EFG 2013, 331).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die auf der strafbefreienden Erklärung beruhende Steuerfestsetzung um den Betrag vermindert, der auf die in der Erklärung erfassten Zuwendungen in Bezug auf die Stiftungen X und Y entfällt.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft die Frage, welche steuerlichen Folgen sich aus einer unwirksamen strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG ergeben.
1. Die strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG). Dies schließt allerdings nicht die Prüfung aus, ob der Steuerpflichtige eine der im StraBEG bezeichneten Taten oder eine Steuerordnungswidrigkeit begangen hat. Fehlt es daran, ist die strafbefreiende Erklärung unwirksam und kann von der Finanzbehörde abgelehnt werden. Eine versuchte Steuerhinterziehung genügt nicht als Voraussetzung für eine strafbefreiende Erklärung.
2. Die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist auch dann nach § 10 Abs. 3 StraBEG aufzuheben oder zu ändern, wenn keine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit des Steuerpflichtigen vorlag. Diese Regelung enthält eine eigenständige Änderungsvorschrift, die nicht die Einlegung eines Einspruchs gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung voraussetzt.
Dazu hat der BFH klargestellt, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEGbereits dann anwendbar ist, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit des Steuerpflichtigen nicht festgestellt werden kann. Auch bei der Anwendung des StraBEG ist der Grundsatz "in dubio pro reo" zu beachten, sodass bei bestehenden Zweifeln über eine Tatbegehung die Unschuldsvermutung gilt.
3. Zu beachten ist, dass eine Korrektur der durch die Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzung nur innerhalb der normalen Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) möglich ist. Diese Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der die strafbefreiende Erklärung abgegeben wurde.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.10.2014 – II R 6/13