Leitsatz

1. Aufwendungen von Eltern für die Strafverteidigung ihres volljährigen Kindes erwachsen regelmäßig nur dann aus sittlichen Gründen zwangsläufig und können als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen sein, wenn es sich um ein innerlich noch nicht gefestigtes, erst heranwachsendes Kind handelt, dessen Verfehlung strafrechtlich noch nach dem Jugendstrafrecht geahndet werden kann (Klarstellung zu BFH, Urteil vom 23.5.1990, III R 145/85, BStBl II 1990, 895).

2. Ob Aufwendungen der Eltern für die Wahlverteidigung eines volljährigen Kindes in anderen Fällen als aus sittlichen Gründen zwangsläufig anzuerkennen sind, kann im Übrigen nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Normenkette

§ 1601 BGB , § 1602 Abs. 1 BGB , § 1603 Abs. 1 und 2 BGB , § 1610 Abs. 1 und 2 BGB , § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB , § 33 Abs. 1 und 2 Satz 1 EStG , § 120 Abs. 3 FGO , § 1 Abs. 2 JGG , § 105 JGG , § 140 StPO , § 141 Abs. 1 StPO , § 142 Abs. 1 StPO

 

Sachverhalt

Die Klägerin hat einen im Jahr 1969 außerehelich geborenen Sohn, der weitgehend (vom 3. bis zum 17. Lebensjahr) von den Großeltern erzogen wurde, weil die Klägerin für den Lebensunterhalt der Familie berufstätig war. Ende 1986 nahm sie den Sohn zu sich. Dieser legte 1989 das Fachabitur ab. Im Anschluss an den Zivildienst begann er mit verschiedenen Lehrverhältnissen sowie einem Studium, ohne dieses abzuschließen. Zeitweise (von 1993 bis 1995) betrieb er (ohne Erfolg) eine Vermittlungsagentur für Künstler in Diskotheken.

Seit Juli 1996 bezog er als Umschüler bei einem Berufsförderungszentrum ein monatliches Übergangsgeld von 2.800 DM. Er mietete im Dezember 1996 eine eigene Wohnung an. In dieser Wohnung tötete er am 30.6.1997 eine Bekannte. Das Landgericht verurteilte ihn hierfür zu einer Freiheitsstrafe von 8½ Jahren. Ferner veranlasste es die Einweisung des Sohns in eine psychiatrische Anstalt, wo dieser zur Vorbereitung auf seine Resozialisierung im Schreinerhandwerk ausgebildet wird.

Die Klägerin machte mit ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 Aufwendungen für einen Wahlverteidiger als außergewöhnliche Belastung geltend, und zwar für einen – nach Angaben des Verteidigers im Rahmen der BRAGO liegenden – Kostenvorschuss in Höhe von 10.000 DM sowie Finanzierungskosten in Höhe von 446 DM für ein dafür aufgenommenes Darlehen.

Klage und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Die Klägerin könne die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung abziehen, weil sie weder gesetzlich noch sittlich verpflichtet gewesen sei, bei ihren geringen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sich für ihren über einen eigenen Hausstand verfügenden Sohn zu verschulden. Im Übrigen sei dessen Verteidigung durch Bestellung eines Pflichtverteidigers sichergestellt gewesen.

 

Hinweis

Strafverteidigungskosten für erwachsene Kinder oder Eltern sind grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen. Sie erwachsen nicht zwangsläufig, weil regelmäßig weder eine rechtliche noch sittliche Verpflichtung besteht, die Kosten für einen Wahlverteidiger zu übernehmen. Da Angeklagten bei schwerwiegenden Beschuldigungen oder rechtlich komplizierten Sachverhalten ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss, ist ihre Verteidigung gewährleistet. Die Pflichtverteidigung ist keine Verteidigung minderer Güte, zumal dem Wunsch des Angeklagten auf Beiordnung eines Anwalts seines Vertrauens weitgehend zu entsprechen ist.

Eine Ausnahme hiervon gilt bei Heranwachsenden. Bei diesen, die regelmäßig noch keine selbstständige Lebensstellung erlangt haben, ist schon zivilrechtlich umstritten, ob Eltern nicht gesetzlich verpflichtet sind, die Kosten der Verteidigung zu übernehmen.

Des Weiteren können Kosten der Wahlverteidigung für einen bedürftigen nahen Angehörigen bei Strafprozessen im Ausland abziehbar sein. Dies gilt insbesondere in Staaten, in denen ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleistet ist oder ein Pflichtverteidiger entweder nicht bestellt wird oder aber die Pflichtverteidigung erkennbar nicht dem Standard einer Wahlverteidigung entspricht. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Verhalten des Unterstützten. Auch wenn dieser sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat, können in diesen Fällen Ausgaben für einen Wahlverteidiger aus sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen.

Wie immer bei Aufwendungen für dritte Personen – ausgenommen minderjährige oder heranwachsende Kinder – kommt ein Abzug aber dann nicht in Betracht, wenn auch ein Darlehen an den Angehörigen ausreicht, die Notlage zu beheben. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Gerichtskosten können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, weil diese erst nach Abschluss des Verfahrens erhoben werden und daher nichts mehr zur Verteidigung des Kindes beitragen können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.10.2003, III R 23/02

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