Prof. Dr. Stefan Schaltegger, Dimitar Zvezdov
Im Vorfeld der empirischen Erhebung wurde anhand der bestehenden Literatur untersucht, welche bisherigen Erkenntnisse vorliegen, um ein Nachhaltigkeitscontrolling in den zuvor vorgestellten Dimensionen anwenden zu können. Diese werden hier kurz dargestellt, um sie in einem weiteren Schritt mit den Ergebnissen unserer Praxisuntersuchung zu vergleichen.
Hemmnisse beim Einsatz des Nachhaltigkeitscontrollings
Die Literatur bietet bereits eine Übersicht von Barrieren, die der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen im Wege stehen. Auch wenn die Autoren dort einen starken Bezug auf KMU nehmen, deuten zahlreiche Publikationen darauf hin, dass diese hier zusammengefassten Faktoren auch für größere Unternehmen gelten:
- Fälschliche implizite Annahme, dass Umweltaktivitäten mit übergeordneten Unternehmenszielen kollidieren,
- Kenntnis- und Erfahrungsmangel im Umgang mit Sozial- und Umweltproblemen und mangelnde Kenntnis der eigenen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft,
- rückständige Organisationskultur, was Sozial- und Umweltbelange betrifft,
- mangelnde Problemeinsicht bezüglich Trends und mangelndes Erkennen, welchen Nutzen Nachhaltigkeitsaktivitäten bieten,
- eingeschränkte finanzielle und personelle Ressourcen für Nachhaltigkeitsmaßnahmen und -projekte,
- die verfügbaren Konzepte und Instrumente sind primär auf große Unternehmen ausgerichtet.
Ungleiche Gewichtung der verschiedenen Perspektiven
Auf Basis dieser Aufzählung wird erwartet, dass manche Ausprägungen des Nachhaltigkeitscontrollings bislang stärker vertreten sind als andere. So kann erklärt werden, warum das finanzorientierte Nachhaltigkeitscontrolling in der Praxis überproportional berücksichtigt wird. Denn viele der Kennzahlen dienen als Rechtfertigung dafür, dass die Verfolgung ökologischer und sozialer Ziele nicht sinnvoll ist oder umgekehrt, dass sie mit keinen finanziellen Einbußen verbunden ist. Die Rolle freiwilliger und verpflichtender Standards der Berichterstattung ist ein weiterer Grund dafür, dass finanzorientierte Kennzahlen in den Vordergrund rücken. Demgegenüber müsste sich z. B. eine Organisationskultur, die soziale und ökologische Fragen wenig beachtet, in einer mangelnden Berücksichtigung der lern- und Know-how-orientierten Nachhaltigkeitscontrolling-Perspektive äußern.
Starke Prozessorientierung
Des Weiteren ist eine starke Berücksichtigung des prozessorientierten Nachhaltigkeitscontrollings zu erwarten. Durch steigende Rohstoff- und Energiepreise besteht zunehmend die Notwendigkeit, die Material- und Energieströme hinter den (Produktions-)Prozessen im Detail zu verstehen, um die Effizienzziele zu verfolgen. Aus diesen Daten kann die Auswirkung der Prozesse auf die Umwelt direkt abgeleitet werden. Auch die Gesetzgebung scheint eine Rolle zu spielen – einerseits sind Unternehmen verpflichtet, bestimmte physikalische Kennzahlen offenzulegen. Andererseits tun sie dies teilweise auch auf freiwilliger Basis, die durch zusätzliche staatliche Anreize motiviert wird, beispielsweise indem die Ölsteuer in Deutschland zurückerstattet wird. Der direkte Zusammenhang zwischen Materialeinsatz und Kosten regt auch die Berücksichtigung von nichtmonetären Einheiten an.
Markt- und Innovationspotenziale kaum ausgeschöpft
Eine empirische Untersuchung des Nachhaltigkeitscontrollings aus dem Jahre 2011 zeigt ebenfalls, dass die finanzorientierte und die prozessorientierte Perspektive die größte Bekanntheit und Berücksichtigung in der Praxis erfahren. Demgegenüber werden insbesondere bei der marktorientierten Perspektive und der Lernperspektive nur wenige Kennzahlen erfasst, die die Zusammenhänge zwischen der jeweiligen Nachhaltigkeitsleistung und den übergeordneten Zielen des Unternehmens zeigen.
Dies führt dazu, dass unternehmerische Leistungen insbesondere bezüglich Markt- und Innovationsfragen kaum aktiv gesteuert werden können und die Steuerungspotenziale eines strategiebasierten Nachhaltigkeitscontrollings bezüglich Markt- und Innovationserfolg nicht vollkommen ausgeschöpft werden.