Tobias Steinhauser, Dr. Peter Schentler
2.1 Ziele
Ein standardisierter Prozess zur Erarbeitung der Einkaufsstrategie macht Ziele im Einkauf transparent und verständlich.
Die Analyse der Ausgangssituation ist Ausgangs- und Aufsatzpunkt, um Ziele und Strategien im Einkauf festzulegen. Dazu hat es sich bewährt, individuelle auf das Unternehmen abgestimmte Fragebögen zu entwickeln, welche von einer repräsentativen Anzahl an Mitarbeitern aus dem Einkauf und angrenzenden Bereichen beantwortet werden. Im Fokus der Fragen steht die Einkaufsstrategie in Bezug auf externe Faktoren und die interne Ausrichtung. Die Ergebnisse geben die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Organisation aus Sicht der Mitarbeiter in einzelnen Bereichen wieder.
Die Resultate dieser Analyse werden in einem nächsten Schritt mit externen Best-Practices und Benchmarks abgeglichen. Dies dient als Realitäts-Check, Verifizierung/Falsifizierung bzw. Ergänzung der Einschätzungen der Mitarbeiter. Damit kann ein umfassendes Verständnis der Ausgangssituation erreicht werden. Als Benchmark können Unternehmen mit vergleichbarer Größe und aus derselben oder einer ähnlichen Branche herangezogen werden. Aber auch Best-in-Class-Unternehmen mit innovativen Ansätzen im Einkauf können hier als Inputgeber dienen.
Durch diese Kombination einer internen und externen Sichtweise erfolgt eine Standortbestimmung der Organisation und eine valide Einschätzung des aktuellen Reifegrades.
Strategieentwicklung ist kein Hexenwerk; dennoch verhindern vermeidbare Probleme häufig die Entwicklung guter Strategien.
Mission und Vision erfüllen eine wichtige Funktion, indem sie dem Unternehmen eine klare Zielrichtung vorgeben. Die Mission klärt, welche Rolle das Unternehmen in der Gesellschaft einnehmen möchte und welche Aufgaben es in diesem Zusammenhang erfüllt. Die Vision hingegen ist ein Zukunftsbild, das beschreibt, was eine Organisation langfristig erreichen will. Die Einkaufsstrategie lässt sich auf Basis der Vision ableiten. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Einkaufsstrategie mit der Unternehmensstrategie im Einklang steht und keine Spannungsfelder geschaffen werden.
Zielsysteme, die sich aus der Strategie ergeben, können in Strategy Maps dargestellt werden. Diese lassen sich beispielsweise in die folgenden fünf Bereiche unterteilen, zu denen jeweils Zielbeispiele angeführt werden:
- Potenziale: Erstklassige Basis für nachhaltiges Wachstum schaffen – beispielsweise durch die Definition der optimalen Wertschöpfungstiefe und die Qualifikation von Mitarbeitern.
- Prozesse/Technologie: Operational Excellence ausbauen – beispielsweise durch automatisierte Zahlungsprozesse oder Workflows im Bestellprozess
- Lieferanten/Markt: Erstklassige Lieferanten bei reduziertem Risiko zu besten Preisen – beispielsweise durch den Aufbau umfassender Marktkenntnisse, Best-Cost-Country-Sourcing oder durch hohe ESG-Standards in der Lieferkette
- Interne Kunden: Positionierung als erstklassiger interner Dienstleister– beispielsweise durch die Schaffung einer positiven Wahrnehmung und die Einbindung der internen Kunden
- Finanzen: Hohen Wertbeitrag für das Unternehmen generieren – beispielsweise durch die Minimierung von finanziellen Risiken und die Absenkung des gebundenen Kapitals
Die häufigsten Probleme im Bereich der Strategieentwicklung in der Praxis sind fehlende Kreativität, mangelnde Verzahnung mit der Unternehmensstrategie, keine Überleitung der Strategie in konkrete Ziele und Aktionen, ungeklärte Verantwortlichkeiten und/oder mangelnde Ressourcen.
2.2 Kennzahlen
Um die Zielerreichung einer Strategie beurteilen zu können, bedarf es messbarer und quantifizierbarer Kennzahlen, sogenannter Key Performance Indicators (KPI). Für eine korrekte Evaluierung des Erfolges einer Strategie ist es wichtig, dass die KPIs genau definiert sind. Der Zeitaufwand für die konkrete Definition von KPIs inkl. Kernaussage(n), Berechnung und Datenquellen darf hier nicht unterschätzt werden.
Im Wesentlichen gilt es bei der Auswahl und Definition von KPIs darauf zu achten, dass die folgenden vier Dimensionen abgedeckt werden: Steuerungsrelevanz, Berechnung basierend auf zugänglichen und glaubhaften Daten, transparente und einheitliche Berechnung sowie einheitliche Interpretation (siehe Abbildung 3). Die Einkaufskennzahlen selbst sind unternehmensspezifisch auszuwählen.
Abb. 3: Anforderungen an steuerungsrelevante Kennzahlen
Um steuerungsrelevant zu sein, muss eine Kennzahl in direktem Zusammenhang mit der Strategie stehen, für welche sie definiert wird. Konkret bedeutet das, dass die KPI Ziele aus der Einkaufsstrategie verfolgbar und messbar machen muss. So würde es beispielsweise keinen Sinn machen, die unternehmensweite Mitarbeiterfluktuation für den Einkauf zu nutzen, da der Einfluss einer Einkaufsstrategie auf diese Messgröße sehr begrenzt ist und der Erfolg der Strategie an diesem Zielwert nicht abgelesen werden kann. Die Materialkostenveränderung hingegen kann die Frage beantworten, ob beispielsweise das Ziel der Einkaufskostenreduktion erreicht wird; sie weißt daher eine hohe Steuer...