Leitsatz

1. Wenn jemand im Namen oder unter dem Namen einer von ihm beherrschten nicht rechtsfähigen Domizilgesellschaft (Sitzgesellschaft) liechtensteinischen Rechts in der Bundesrepublik Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, sind ihm diese Leistungen umsatzsteuerrechtlich als eigene zuzurechnen.

2. In diesem Fall kann ihm (auch) der Vorsteuerabzug aus den an die Domizilgesellschaft adressierten Rechnungen zustehen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG , § 2 Abs. 1 UStG , § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG , § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG , Art. 43, 48 EGVtr , Art. 31, 34 EWR-Abkommen

 

Sachverhalt

Der Kläger steuerte in den Streitjahren von der Bundesrepublik aus drei sog. Domizilgesellschaften mit Sitz in Vaduz (Liechtenstein). Diese Gesellschaften erwarben u.a. Grundstücke, errichteten Gebäude und vermieteten Grundstücke gewerblich. In eigenem Namen beteiligte sich der Kläger nicht am Geschäftsverkehr.

Bezüglich aller drei Gesellschaften war der Kläger in den Streitjahren entweder alleiniger Anteilseigner, Inhaber sog. Treugeberrechte oder beherrschender Gesellschafter einer Gesellschaft, auf die er seine Gründerrechte übertragen hatte. Alle drei Gesellschaften hatten ihren Sitz in Liechtenstein unter einer als sog. "Massendomizil" bekannten Anschrift. Der Kläger war in den Streitjahren aufgrund einer jeweils erteilten Generalvollmacht berechtigt, die drei Gesellschaften in allen Angelegenheiten rechtsgeschäftlich zu vertreten, und verwaltete die Gesellschaften von der Bundesrepublik aus, wo er auch sämtliche Geschäftsunterlagen einschließlich der Buchführungsunterlagen aufbewahrte.

Das FA bejahte die Unternehmereigenschaft alleine des Klägers, verwehrte ihm jedoch mangels zutreffenden Adressaten den Vorsteuerabzug.

 

Entscheidung

Der BFH hat den Kläger als leistenden Unternehmer und Steuerschuldner angesehen. Er sei gegenüber Dritten unter dem Namen der drei liechtensteinischen Gesellschaften aufgetreten. Diese Gesellschaften hätten unstreitig nur ihren Sitz in Liechtenstein gehabt, ohne dort eine geschäftliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben zu dürfen. Als sog. Domizilgesellschaften hätten sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz – auf den alleine umsatzsteuerlich abzustellen sei – in der Bundesrepublik gehabt. Hier seien sie jedoch nicht rechtsfähig und als Gesellschaft nicht handlungsfähig.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt sei es sachgerecht, den ausschließlich und einzig für diese Gesellschaften im Geschäftsverkehr aufgetretenen und als einziger und alleiniger Inhaber handelnden Kläger als Unternehmer zu behandeln.

Da der Kläger unter der angegebenen Anschrift und Firmenbezeichnung jederzeit als "Vertreter" der Domizilgesellschaften erkennbar und erreichbar gewesen sei, hätten ausweislich der Steuerakten zu keinem Zeitpunkt Zweifel bestanden, dass beherrschende Figur dieser Gesellschaften ausschließlich der Kläger gewesen sei, dem folglich auch als Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug zustehen müsse.

 

Hinweis

In der Umsatzsteuer wird zur Bestimmung des am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmers zwischen dem Handeln in eigenem Namen und dem Handeln in fremdem Namen unterschieden. Während beim Handeln in eigenem Namen die Leistung dem Handelnden zugerechnet wird, erfolgt die Leistungszuweisung beim Handeln in fremdem Namen an den Vertretenen. Ausschlaggebend ist die zivilrechtliche Rechtsbeziehung.

Eine scheinbar besondere Konstellation liegt beim Handeln unter fremdem Namen vor. Bei dieser dritten Variante tritt jemand für eigene Rechnung unter dem Namen eines Dritten auf. Auch hier bleibt es aber im Grundsatz bei der zivilrechtlichen Anknüpfung. Derjenige, in dessen Namen aufgetreten wird, wird als Beteiligter des Leistungsaustauschs qualifiziert. Das gilt auch in den Fällen eines Strohmannhandelns.

Nur dann, wenn derjenige, der in eigenem Namen auftritt, keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, muss der hinter dem nach außen (formal) Auftretenden als Leistender angesehen werden. Folgerichtig hat der BFH bei nicht handlungsfähigen sog. Domizilgesellschaften aus Liechtenstein den für diese auftretenden und sie beherrschenden "Generalbevollmächtigten" als Leistenden angesehen.

Grundsätzlich ist mangels richtiger Rechnungsadressierung dieser hinter der Domizilgesellschaft stehende Hintermann nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Aufgrund der besonderen Umstände des vom FG ermittelten Sachverhalts hat der BFH in Ausnahme von seinen Grundsätzen im Urteil vom 17.9.1992, V R 41/89 (BStBl II 1993, 205) dem Kläger als Hintermann den Vorsteuerabzug zugestanden, da eine leichte und eindeutige Identifizierbarkeit jederzeit möglich gewesen sei.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.4.2001, V R 50/99

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