Leitsatz
1. Dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verwendeten Begriff des räumlichen Zusammenhangs lässt sich nicht entnehmen, dass bereits die Einspeisung des in einer begünstigten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage erzeugten Stroms in das öffentliche Stromnetz in jedem Fall zu einem Ausschluss der Steuerbefreiung führt.
2. Von einer Entnahme des Stroms in räumlichem Zusammenhang zu der von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG begünstigten Anlage kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn mit dem in der Anlage erzeugten Strom ausschließlich innerhalb einer kleinen Gemeinde gelegene kommunale Abnahmestellen versorgt werden.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG , § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG
Sachverhalt
Ein Unternehmen betreibt im Auftrag einer Gemeinde auf dem Gelände der Grundschule eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage. Von der Anlage werden mit eigenen Stromleitungen die Grundschule sowie das Freibad der Gemeinde mit Strom versorgt. Weitere Abnahmestellen, für die der in der Anlage erzeugte Strom bestimmt ist, liegen bis zu 4,5 km entfernt, wie z.B. das Rathaus, das Straßenbeleuchtungssystem oder die Kläranlage. Es handelt sich auch hierbei um Einrichtungen der Gemeinde; sie verfügen jedoch nicht über eine besondere Leitung zu der Stromerzeugungsanlage, sondern sind an das allgemeine Stromnetz angeschlossen. Durch eine bestimmte Mess-, Steuer- und Regeltechnik ist jedoch sicherstellt, dass nur der von der Gemeinde benötigte Strom in der strittigen Anlage erzeugt und den vorgenannten kommunalen Entnahmestellen entnommen wird.
Das Hauptzollamt versagte insoweit eine Stromsteuerbefreiung. Denn es ist der Ansicht, dass eine Steuerbefreiung nur für die mit eigenen Stromleitungen durchgeführte Stromversorgung, wie sie bei der Grundschule besteht, gewährt werden könne. Dementsprechend fordert das Hauptzollamt Steuervorauszahlungen.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dieser Ansicht der Verwaltung, die in einer Verwaltungsanweisung des BMF (VSFN 62 2001 Nr. 453) ihren Niederschlag gefunden hat und das Erfordernis eines Anschlusses an die steuerbefreite KWK-Anlage über ein besonderes Stromnetz aus dem gesetzlichen Erfordernis eines räumlichen Zusammenhangs zwischen KWK-Anlage und Stromabnahmestelle herleiten will.
Der BFH weist darauf hin, dass im allgemeinen Sprachgebrauch das Adjektiv "räumlich" lediglich eine Bezugnahme auf ein Gebiet ausdrückt, das eine Ausdehnung nach Länge, Breite und Höhe aufweist. Der Begriff "räumlich" ziele hingegen nicht auf eine bestimmte Art der Verbindung zwischen zwei Objekten innerhalb dieses Gebietes, wie z.B. durch eine (besondere, von anderen Leitungssystemen abgesonderte) Leitung. Deshalb führe allein die Nutzung des öffentlichen Stromnetzes nicht zum Ausschluss der Steuerbegünstigung wegen Fehlens eines räumlichen Zusammenhangs zwischen Stromerzeugung und -verbrauch. Eine diesbezügliche Beschränkung würde vielmehr den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung derart einengen, dass eine Gefährdung des Normzwecks nicht ausgeschlossen werden könnte. Denn das Erfordernis des Aufbaus eines eigenständigen Versorgungsnetzes neben dem öffentlichen Netz würde den Aufbau von KWK-Anlagen wesentlich erschweren, wenn nicht sogar aus Kostengründen unmöglich machen.
Der im Sinn des Gesetzes erforderliche räumliche Zusammenhang zu der KWK-Anlage bestehe im Streitfall. Mit dem in der strittigen KWK-Anlage erzeugten Strom würden nämlich ausschließlich innerhalb einer kleinen Gemeinde gelegene kommunale Abnahmestellen versorgt. Diese Entnahmestellen lägen zudem in einem Umkreis von nur 4,5 km und innerhalb eines in seiner räumlichen Ausdehnung durch die Gemeindegrenzen genau definierten Gebiets.
Hinweis
Das StromStG sieht in § 9 eine Reihe von Steuerbefreiungen und Begünstigungen vor, die vornehmlich ökologisch als wünschenswert angesehenen Stromerzeugungsformen fördern sollen. Dazu gehört die Erzeugung in kleinen Anlagen, die nahe beim Verbraucher errichtet sind und dadurch eine einfache Nutzung auch der miterzeugten Wärme ermöglichen (Kraft-Wärme-Koppelung).
Das StromStG verlangt insofern nicht, dass der Stromerzeuger selbst der Stromverbraucher ist; es will damit insbesondere das sog. Contracting ermöglichen, sofern dadurch keine flächendeckende, regionale Stromversorgung angestrebt wird, sondern eine objektbezogene Stromerzeugung (näher BTDrucks. 14/2044, 11).
Die (Ministerial)Verwaltung hat die politisch im Einzelnen lebhaft umstrittene Vorschrift dadurch einzugrenzen versucht, dass sie ihre Anwendung ausschließen will, wenn der von der Anlage erzeugte Strom in das allgemeine Stromnetz eingespeist wird; dann entfalle der vom Gesetz verlangte "räumliche Zusammenhang" unabhängig von der zu überbrückenden Entfernung zwischen der Stromerzeugungsanlage und der Entnahmestelle. Dem ist der BFH in dieser Entscheidung als einer durch das Gesetz nicht gedeckten Einschränkung der Steuerbefreiung entgegengetreten.
Die BFH-Entscheidung lässt hingegen weitgehend offen, wann ein räumlicher Zusammenhang nicht mehr gegeben ist. Sie schließt also n...