Prof. Dr. Andreas Taschner, Prof. Dr. Michel Charifzadeh
Anspruchsvoller als internes Controlling
Ist die Unterstützungsaufgabe des Controllings in Einzelunternehmen schon durchaus anspruchsvoll, so werden die Herausforderungen bei einer unternehmensübergreifenden Herangehensweise noch einmal größer – und zwar aus mehreren Gründen.
In unterschiedlichen Supply Chains vernetzt
Die meisten Unternehmen sind in mehr als eine einzige Supply Chain eingebettet. Es existieren vielfältige Austauschbeziehungen mit verschiedenen Lieferanten und Kunden, welche selbst wiederum mit anderen Wertschöpfungspartnern kooperieren. Das Bild einer "Lieferkette" ist daher meist nicht zutreffend. Vielmehr finden sich Unternehmen eher in verschiedenen "Liefernetzen" wieder, welche sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen, unterschiedliche (durchaus auch konkurrierende) Strategien verfolgen und damit auch unterschiedliche Erwartungen an das Unternehmen herantragen. Die Sicherstellung von Effektivität und Effizienz des unternehmerischen Handelns wird hier leicht zur "Quadratur des Kreises".
Schwierige unternehmensübergreifende Koordination
In einer Supply Chain kooperieren wirtschaftlich zwar mit einander verbundene, rechtlich und organisatorisch aber selbstständige Unternehmen – sofern es sich nicht um Konzerntöchter handelt. Damit sind die innerhalb des Unternehmens nutzbaren hierarchischen Weisungsbefugnisse als Koordinationsmechanismen nicht verfügbar. Gemeinsame Pläne und Programme (Ablaufregeln) sind zwar möglich, aber zeitaufwendig in der Erstellung und in der Durchsetzung immer mit der Unsicherheit behaftet, dass einzelne opportunistisch (d. h. auf den eigenen Vorteil bedacht) von vereinbarten Regeln abweichen. Nicht umsonst wird deshalb in Theorie und Praxis als das beste Koordinationsinstrument in Supply Chains das "Vertrauen" angesehen.
Fehlende Standardisierung und Vereinheitlichung
Je komplexer die Supply Chain, desto größer die Anzahl und Diversität der Schnittstellen und desto größer die zu verarbeitende Datenmenge. Unternehmen müssen die Schnittstellen definieren und den Zugang zu Informationen öffnen. Zwar teilen die Partner in einer Supply Chain ein Mindestmaß an gemeinsamen Zielvorstellungen und stimmen ihre Handlungen aufeinander ab, doch bedeutet dies noch lange nicht, dass sie hierfür auch die gleichen IT-Systeme, Instrumente und Methoden einsetzen. Inkompatible Systeme, voneinander abweichende Interpretationen der gleichen Begriffe und die unterschiedliche Anwendung gängiger Methoden und Instrumente schränken die Vergleichbarkeit von Daten ein und erschweren die Kommunikation zwischen den Partnern. Die Supply-Chain-übergreifende Informationsversorgungsfunktion des Controllings leidet darunter ganz besonders.
Bedenken bei der Datensicherheit
Die 2. große Herausforderung bei den Informations- und Kommunikationsflüssen einer Supply Chain liegt im Thema Datensicherheit. Priorisieren die Unternehmen innerhalb einer Supply Chain diesen Sachverhalt unterschiedlich, so ergeben sich auch hier Schnittstellenprobleme.
Nicht eindeutig zurechenbare Kosten und Erfolge
Das Hauptmotiv für die Zusammenarbeit in einer Supply Chain besteht darin, eine "Kooperationsrente" heben zu können: Der Erfolg, der durch die Kooperation insgesamt erzielt werden kann, ist höher als die Summe der Erfolge, welche die Partner bei nicht abgestimmtem Handeln einzeln erreichen könnten ("1 + 1 = 3"). Allerdings stellen die Kooperationspartner den Erfolg der Supply Chain insgesamt nur deshalb in das Zentrum ihrer Bemühungen, weil sie sich selbst einen möglichst großen Erfolgsbeitrag davon erhoffen: Die Mitwirkung an der Supply Chain muss sich lohnen! Jeder Partner hat Interesse daran, einen möglichst hohen Anteil des in der Supply Chain erwirtschafteten Erfolgs für sich zu reklamieren. Aufgabe des Supply-Chain-Controlling ist hier, die Kosten- und Erfolgsbeiträge der einzelnen Partner möglichst verursachungsgerecht zu ermitteln und zuzurechnen und damit jeden seinem Beitrag entsprechend am Erfolg der Supply Chain partizipieren zu lassen. Dies erweist sich jedoch als schwierig, weil:
- eine verursachungsgerechte Verteilung sehr hohe Anforderungen an die Transparenz stellt und hoch sensible Kosteninformationen zwischen den Partnern ausgetauscht werden müssen – was in den meisten Fällen auf Vorbehalte oder sogar offene Widerstände stößt.
- Kosten und Nutzen nicht nur auf der Ebene der einzelnen Supply-Chain-Partner anfallen, sondern gerade auch auf der übergeordneten Ebene der Supply Chain selbst. Ähnlich zum bekannten Problem der Verteilung von Gemeinkosten auf Unternehmensebene muss das Supply-Chain-Controlling hier Gemeinkosten verteilen, die auf der Ebene der Supply Chain anfallen und deshalb nicht eindeutig bestimmten Partnern zurechenbar sind.
Kein allgemein akzeptierter Erfolgsmaßstab
Nicht zuletzt sieht sich das Supply-Chain-Controlling auch mit dem Problem konfrontiert, dass es keinen allgemein akzeptierten Maßstab für den "Erfolg" einer Supply Chain gibt. Die Summe der von den Partnern ausgewiesenen Periodene...