Christian Jonas, Konstantin L. Maier
Maßnahme und Nutzen
Beziehungen zu Lieferanten sind gerade in Branchen mit einer geringen eigenen Wertschöpfungstiefe oder mit technologie-getriebenen Lieferantenbeziehungen von hoher Relevanz. Bei immer höherem Anteil von z. B. Just-in-Time-Lieferungen (JIT) ist das Thema Verlässlichkeit der Lieferanten von umso größerer Bedeutung für Unternehmen. Klassischerweise finden regelmäßige Audits aktueller und potenzieller Lieferanten statt, auf deren Basis auf der einen Seite Vergabeentscheidungen beruhen und auf der anderen Seite Maßnahmen für die Qualifizierung und damit Weiterentwicklungen der Lieferanten abgeleitet werden. In der Regel sind diese Prozesse im Grundsatz gut etabliert, jedoch liegt der Fokus von klassischen Lieferantenaudits und Qualifizierungsprogrammen oft auf Themen wie Logistik (z. B. Termintreue) oder Qualität (z. B. Fehlerrate).
Somit fehlt die notwendige Transparenz über die Nachhaltigkeit von Lieferanten, damit diese in Vergabeentscheidungen berücksichtigt werden kann oder um ein zielgerichtetes Qualifizierungsprogramm durchzuführen. Diese Transparenz kann über zwei Wege erreicht werden: Entweder können Nachhaltigkeitsaspekte in eigene Lieferantenbefragungen aufgenommen oder Daten zur Nachhaltigkeit von spezialisierten externen Anbietern zugekauft werden.
Die Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in die eigenen Audits für Lieferanten hat den Vorteil, dass diese spezifischer auf das eigene Unternehmen und Geschäftsmodell angepasst sind. Damit verbunden sind jedoch auch ein enormer Mehraufwand und eine höhere Komplexität für das eigene Unternehmen. So müssen z. B. bei Einführung von neuen Regelungen oder Anforderungen Unternehmen ihre spezifischen Prozesse und Qualifizierungsbögen entsprechend anpassen.
Die andere Option, auf externe Anbieter von Audits zuzugreifen, bedeutet weniger eigenen Mehraufwand, jedoch erhöhte Kosten für den Zugriff auf die Datenbanken. Weitere Vorteile sind die direkte Verfügbarkeit der Daten und das Nutzen von anerkannten industrieweiten Standards. Bei der Änderung von Anforderungen muss der Anbieter einer solchen Plattform für Kontinuität und Erfüllung der rechtlichen Anforderungen sorgen. Zudem bieten manche Plattformen durch die Möglichkeit von Standardanalysen und Reportings weiteren Mehrwert.
Lieferantenbewertungsprozess wird erweitert
Führende DAX-Unternehmen setzten verstärkt auf die Integration von Anbietern wie Ecovadis oder IntegrityNext, um den Lieferantenbewertungs- und -qualifizierungsprozess um Nachhaltigkeitskriterien zu erweitern. Dabei decken die Unternehmen bereits heute den Großteil der Anforderungen z. B. des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zur Transparenz der Tier-1-Lieferanten ab. Mittels Integration der externen Tools in eigene Einkaufssysteme ist das Thema Nachhaltigkeit folglich auch im Tagesgeschäft auf der Agenda.
Anforderungen an Controlling und KPI-System
Existierende KPI-Systeme zur Lieferantenbewertung müssen um neue Kriterien erweitert werden. Diese Kriterien umfassen Bereiche wie Energie (Energieverbrauch pro produzierter Einheit, Anteil erneuerbarer Energien, …), Wasser (Verbrauch, Anteil recyceltes Wasser, …), Umwelt (Emissionen von Treibhausgasen pro Mitarbeiter, Menge von Chemieabfall, …) oder Transport (Entfernung zum eigenen Standort, Anteil der Transporte mit Bahn oder LKW, …). Diese KPIs müssen selbst erhoben werden oder mittels Anbindung von externen Datenbanken in das eigene IT-System integriert werden. Erst wenn diese Daten vorliegen, können Nachhaltigkeitsaspekte bei Vergabeentscheidungen und Qualifizierungsprogrammen berücksichtigt werden.