IAS 12 behandelt vor allem die Bilanzierung latenter Steuern. Latente Steuern ergeben sich bei Verlustvorträgen und bei temporären Abweichungen von steuerbilanziellen Werten. Weist etwa die IFRS-Bilanz höhere Gebäudebuchwerte aus, weil nur in der Steuerbilanz Sonderabschreibungen vorgenommen wurden oder nur in der IFRS-Bilanz eine Neubewertung durchgeführt wurde, so ergibt sich hieraus eine passive Steuerlatenz. Zukünftige Abschreibungen (Aufwand) in der IFRS-Bilanz werden höher, zukünftige Veräußerungsgewinne (Ertrag) niedriger sein als in der Steuerbilanz. Die zukünftigen Steuerzahlungen werden sich aber nicht nach dem niedrigeren zukünftigen IFRS-Gewinn, sondern nach dem höheren Steuerbilanzgewinn richten. Dieser zukünftige Belastungseffekt muss in der IFRS-Bilanz passiviert werden, damit neben den aktuellen Steuerverbindlichkeiten auch die latenten Verbindlichkeiten ausgewiesen werden.
Umgekehrt entstehen aktive Latenzen bspw. dann, wenn wegen einer steuerlich nicht anzuerkennenden außerplanmäßigen Abschreibung Vorratsvermögen in der Steuerbilanz höher ausgewiesen wird als in der IFRS-Bilanz. Bei einer zukünftigen Veräußerung der Vorräte entsteht dann in der Steuerbilanz ein niedrigerer Gewinn als in der IFRS-Bilanz. Aus Sicht der IFRS-Bilanz entsteht ein Entlastungseffekt, der schon heute aktiviert werden muss. Derartige Entlastungseffekte ergeben sich auch bei Verlustvorträgen. Das start-up-Unternehmen, das heute Verluste erzielt, (bei realistischer Einschätzung) aber zukünftig Gewinne erzielen wird, kann diese Gewinne steuerlich mit Verlusten verrechnen. Auch dieser Entlastungseffekt ist nach IFRS schon in den Verlustjahren als aktive latente Steuern zu berücksichtigen.
Auch das Handelsrecht kennt Regeln zur Steuerlatenz. Von IAS 12 unterscheiden sie sich wie folgt:
- Die handelsrechtlichen Regelungen gelten für Kapitalgesellschaften (und KapCo-Gesellschaften). Die IFRS-Regeln sind rechtsformunabhängig.
- Das Handelsrecht schreibt (mit bestimmten Ausnahmen für den Konzern) nur die Berücksichtigung passiver Latenzen vor. Für aktive latente Steuern besteht ein Wahlrecht. Nach IFRS bestehen keine Wahlrechte. Aktivierung und Passivierung erfolgen zwingend.
Das BilMoG hat zwar weitere Unterschiede zu den IFRS beseitigt, latente Steuern sind für die IFRS-Bilanz aber immer noch wichtiger als für die Handelsbilanz. Entsprechend umfangreich sind daher auch die notes. Insbesondere ist eine Überleitungsrechnung gefordert, die den tariflichen Steuersatz unter Berücksichtigung von Latenzen, nicht abziehbaren Ausgaben usw. in die effektive Steuerbelastung überführt.