3.1 Verbindliche Auskunft für noch nicht verwirklichte Sachverhalte

Die tatsächliche Verständigung unterscheidet sich von der generell gebührenpflichtigen verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO, § 89 Abs. 3 – 5 AO)[1] dahin gehend, dass sie sich grundsätzlich nur auf zurückliegende abgeschlossene Sachverhalte bezieht.

Die verbindliche Auskunft soll es Steuerpflichtigen ermöglichen, steuerliche Folgen bereits vor der Verwirklichung von Gestaltungsmöglichkeiten abzuschätzen. Hierbei muss es sich um genau bestimmte, aber noch nicht verwirklichte Sachverhalte handeln. An einer solchen Auskunft muss im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse bestehen.[2]

[1] Änderungen aufgrund des StModernG v. 18.7.2016, BGBl 2016 I S. 1679.

3.1.1 Zurückliegende abgeschlossene Sachverhalte

 
Praxis-Beispiel

Belege für Betriebsausgaben wurden unverschuldet vernichtet

Der Steuerpflichtige hat in 02 aufgrund eines Hochwasserschadens – sein Büro war betroffen – einen Großteil der Belege für Betriebsausgaben verloren.

Das Finanzamt kann sich mit dem Steuerpflichtigen über die Summe der Betriebsausgaben per Schätzung gem. § 162 AO verständigen, wenn Ersatzbelege nur schwer beschaffbar sind. Dabei kann zur Höhe der Betriebsausgaben auf die in 01 getätigten zurückgegriffen werden.

3.1.2 Sonderfall: Zurückliegende abgeschlossene Sachverhalte mit Wirkung für die Zukunft

Wirkt sich allerdings der in der tatsächlichen Verständigung festgelegte Sachverhalt auch in Zukunft aus, kann (gleichbleibende tatsächliche Verhältnisse vorausgesetzt) insoweit ebenfalls eine Bindungswirkung eintreten.

 
Praxis-Beispiel

Vereinbarung der Nutzungsdauer für einen gebrauchten Pkw

Der Steuerpflichtige ist bei der Ermittlung seiner Gewinneinkünfte bezüglich eines gebrauchten Pkw von einer Nutzungsdauer von 2 Jahren ausgegangen.

Hier besteht die Möglichkeit, wenn das Finanzamt von einer üblichen 4-jährigen Nutzungsdauer ausgeht, sich auf eine Nutzungsdauer von 3 Jahren zu verständigen, wenn der Pkw z. B. überdurchschnittlich genutzt wird oder bereits erhebliche Mängel beim Erwerb hatte.

3.2 Zustimmung im Rahmen der Schlussbesprechung

Nicht verwechselt werden darf die tatsächliche Verständigung mit der Zustimmung des Steuerpflichtigen bzw. des Beraters in der Schlussbesprechung zu einer Änderung des Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen i. S. d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO.

 
Praxis-Beispiel

Zustimmung zur Höhe der Telefon-Privatnutzung

Der Steuerpflichtige hat sein betriebliches Telefon unstreitig für private Zwecke genutzt und pauschal 15 % der Kosten als Privatentnahme gebucht. Der Betriebsprüfer vertritt die Auffassung, dass mindestens 30 % angesetzt werden müssen.

Der Steuerpflichtige erklärt sich damit einverstanden, ohne weiter zu diskutieren, obwohl er weiß, dass der maßgebliche Steuerbescheid gar nicht mehr geändert werden durfte!

3.3 Unverbindliche Mitteilung

Oft teilt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen seine (derzeitige) Rechtsauffassung mit. Dies ist kein Fall der tatsächlichen Verständigung und bindet das Finanzamt insoweit nicht. Selbstverständlich kann der zuständige Sachbearbeiter seine Meinung jederzeit ändern und anpassen.

 
Praxis-Beispiel

Diskussion über Art der Einkünfte ist unverbindlich

Im Rahmen einer Außenprüfung teilt der Betriebsprüfer die Auffassung des Steuerpflichtigen, dass dieser Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit hat. In der Schlussbesprechung wird das nicht weiter thematisiert. Im Prüfungsbericht sind die Einkünfte dann als gewerblich qualifiziert. Es ergehen entsprechend geänderte Bescheide.

3.4 Bloße Ankündigung

Aus der bloßen Ankündigung des Sachbearbeiters beim Finanzamt, der Erklärung und der Ansicht des Steuerpflichtigen folgen zu wollen, kann kein Rechtsanspruch abgeleitet werden. Dies ist kein Fall der tatsächlichen Verständigung, der die Finanzbehörde rechtlich bindet.

 
Praxis-Beispiel

Bloße Beleganforderung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens

Nach Eingang der Steuererklärung beim Finanzamt fordert der Sachbearbeiter Belege zum Thema "Doppelte Haushaltsführung" (z. B. Mietvertrag) an. Damit bekundet er zunächst, dass er die doppelte Haushaltsführung u. U. anerkennen kann. Selbstverständlich kann er nach Vorlage des Mietvertrags mitteilen, dass seiner Meinung nach die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen.

3.5 Verbindliche Zusage aufgrund einer Außenprüfung

Der Steuerpflichtige kann im Anschluss an eine Betriebsprüfung eine verbindliche Zusage beantragen, wie ein geprüfter und im Prüfungsbericht erläuterter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird.[1]

Da § 204 AO die Erteilung einer verbindlichen Zusage nur im Zusammenhang mit einer bereits durchgeführten Außenprüfung regelt, muss ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zusage und der Außenprüfung bestehen, also der Antrag kurz nach Erhalt des Prüfungsberichts gestellt werden. Nach Auswertung des Prüfungsberichts in Gestalt der geänderten Steuerbescheide ist der zeitliche Zusammenhang nicht gewahrt.[2]

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