Leitsatz
Ist im Gebiet einer Gemeinde der Verkehr mit PKW allgemein unzulässig, kann ein umsatzsteuerrechtlich begünstigter Verkehr mit Taxen auch ohne Personenkraftfahrzeuge (z.B. mit Pferdefuhrwerken) vorliegen, wenn die übrigen Merkmale des Taxiverkehrs in vergleichbarer Form gegeben sind.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG, § 47, § 49 PBefG, Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 5 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2015 und 2016 Personenbeförderungsleistungen mit Pferdekutschen auf einer zum Inland gehörenden Insel, auf der die Straßennutzung mit Kfz aufgrund einer sog. Kraftverkehrsfreiheit verkehrsrechtlich nur als sog. Sondernutzung zulässig ist.
Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen mit zehn bis elf Kutschen mit Pferdebespannung. Vier dieser Kutschen waren wegen ihrer Aufbauten nur zum Warentransport geeignet. Die übrigen Kutschen dienten der Beförderung von Personen. Die Klägerin ging davon aus, dass sie als sog. Inseltaxi auf individuelle Bestellung Gäste vom Flughafen der Insel zu ihrem Feriendomizil und auch wieder zurückbringe. Mit Voranmeldung konnten auch Kutschen für andere Fahrten wie etwa Rund-, Ausflugs- oder Ereignisfahrten gebucht werden. Für ihre Personenbeförderungsleistungen mit Pferdekutschen auf der kraftverkehrsfreien Insel begehrte die Klägerin den ermäßigten Steuersatz.
Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.1.2018, 11 K 236/17, Haufe-Index 12089268, EFG 2018, 1679).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Ist im Gebiet einer Gemeinde der Verkehr mit Pkw allgemein unzulässig, kann ein umsatzsteuerrechtlich begünstigter Verkehr mit Taxen auch ohne Personenkraftfahrzeuge (z.B. mit Pferdefuhrwerken) vorliegen, wenn die übrigen Merkmale des Taxiverkehrs in vergleichbarer Form gegeben sind. Hierzu hat das FG im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.
Hinweis
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ermäßigt sich die Steuer insbesondere für die Beförderung von Personen im Verkehr mit Taxen. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 5 MwStSystRL. Danach sind die Mitgliedstaaten berechtigt, eine Steuersatzermäßigung für die Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks anzuordnen. Diese Ermächtigung kann selektiv in der Weise ausgeübt werden, dass auf konkrete und spezifische Aspekte der Personenbeförderung abgestellt wird.
2. Der danach steuerbegünstigte Verkehr mit Taxen ist entsprechend § 47 Abs. 1 PBefG auszulegen. Danach setzt der Verkehr mit Taxen umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich eine Beförderung von Personen mit motorbetriebenen Fahrzeugen voraus.
3. Dem liegt die im Allgemeinen zutreffende Erwartung zugrunde, dass in den Gemeinden des Inlands der Verkehr mit Pkw zulässig ist. Trifft dies nicht zu, kann aus dem Begriff des Verkehrs mit Taxen demgegenüber nicht abgeleitet werden, dass es in diesen Gemeinden keine steuerbegünstigte Personenbeförderung gibt. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob alternative motorlose Verkehrsformen vorliegen, die dem steuerbegünstigten Verkehr mit Taxen auf der Grundlage von § 47 PBefG unter Ausschluss des nicht steuerbegünstigten Verkehrs mit Mietwagen nach § 49 PBefGentsprechen.
4. Danach können auch mit Pferdefuhrwerken erbrachte Personenbeförderungsleistungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Verkehrsarten als mit dem Verkehr mit Taxen ohne Pkw vergleichbar angesehen werden, wenn eine Gemeinde die Widmung der gemeindlichen Straßen und Wege dergestalt beschränkt, dass Pkw von der Straßennutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs ausgeschlossen sind und nur im Rahmen einer Sondernutzung betrieben werden können.
5. Das Urteil des BFH verdeutlich, dass die Personenbeförderung mit Pferdekutschen im Allgemeinen dem Regelsteuersatz unterliegt. Die gilt gleichermaßen für Großstädte wie für ländliche Regionen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.11.2019 – V R 9/18