Jörg Hanken, Guido Kleinhietpaß
In diesem Kapitel wird das Thema ›Entwicklung der VP-Prozesse, -Organisation sowie IT‹ erläutert.
Abb. 10: Verrechnungspreiszyklus – Entwicklung, Prozesse, Organisation und IT
Die VP-Strategie wird i. d. R. von der Steuer- und der Controllingabteilung gemeinsam entwickelt, von der Geschäftsführung entschieden und im Anschluss in einer VP-Richtlinie festgeschrieben.
4.4.1 Entwicklung der VP-Aufbau- und der VP-Ablauf-Organisation
Eine erfolgreiche Implementierung der VP-Strategie und der VP-Richtlinie setzt u. a. voraus, dass eine geschulte und motivierte Organisation geschaffen wird, die die Umsetzung konzernweit vorantreibt. Dabei sollte jedes der folgenden drei Kernelemente gesondert betrachtet und in der Organisation verankert sein:
- Regeldefinition
- Operative Durchführung
- Überwachung und Steuerung
Weil ein Verrechnungspreismodell immer nur im Teamwork erfolgreich umgesetzt werden kann und das Team in aller Regel sehr heterogen besetzt sein muss, um ein unternehmensweites Bewusstsein für VP zu erreichen, alle Stakeholder frühzeitig in die Entscheidungen und Prozesse einzubinden sind und um deren Commitment sicherzustellen, ist die Zusammensetzung und die Entscheidung, welche Teile zentral oder dezentral angesiedelt werden, von großer Bedeutung.
Am Beispiel einer Warentransaktion wird deutlich, dass neben den Fachbereichen Produktion, Logistik und Sales die steuerlichen Experten für Umsatzsteuer, Verrechnungspreise und ggf. Zoll involviert sein sollten. Je nach Industrie, Produktportfolio, Gesellschafterstruktur und Führungsphilosophie sind die involvierten Abteilungen zentral oder dezentral organisiert; jeweils mit dem Ziel, ein optimales Zusammenwirken und ein Höchstmaß an Effizienz zu erreichen.
Abgesehen von sehr zentralistischen Prinzipalstrukturen sieht man in der Praxis (noch) überwiegend dezentrale Organisationen. Die aktuellen Entwicklungen in den letzten Jahren sprechen jedoch dafür, bestimmte Bereiche bzw. Aufgaben wie z. B. die Festlegung der VP-Strategie, die VP-Richtlinien-Kompetenz, das Margen-Monitoring, die Koordination der Erstellung der VP-Dokumentationen sowie das Betriebsprüfungs-Management zentral zu managen. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklungen ist, dass
- in den letzten Jahren eine neue Dimension von Transparenzforderungen gegenüber MNEs Einzug in das regulatorische Umfeld der meisten Industriestaaten gefunden hat, die man noch vor einigen Jahren so nicht für möglich gehalten hätte, und
- die Finanzbehörden sich zunehmend vernetzen und den gegenseitigen Austausch von Informationen intensivieren. Die stetig zunehmende Anzahl von Verständigungsverfahren und APAs, aber insbesondere die Joint Audits führen dazu, dass Sachverhalte nicht mehr nur unilateral von der lokalen Finanzverwaltung beurteilt werden, sondern aus den unterschiedlichen Blickwinkeln mehrerer beteiligter Behörden.
Diese Transparenz nach außen macht Konsistenz nach innen unumgänglich. Um nach außen ein einheitliches und stimmiges Bild abzugeben, ist es unabdingbar, dass man, was die Intercompany-Beziehungen betrifft – etwa im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten materiellen und immateriellen Vermögenswerte – konzernweit dasselbe versteht und dasselbe dokumentiert.
Die Ausprägung der VP-Organisation ist also vielschichtig. Der Erfolg liegt im richtigen Mix aus zentralen und dezentralen Entscheidungskompetenzen und Prozessverantwortungen. Die folgenden beispielhaften Fragen sollen das veranschaulichen:
- Eignet sich eher eine zentral oder eine dezentral gesteuerte VP-Organisation? Soll dies konzernweit einheitlich oder mit Rücksichtnahme auf die individuellen Besonderheiten der Teilkonzerne/BUs individuell entschieden werden?
- Auf wie viele Personen soll das VP-Know-how verteilt sein? Welche Spezialisten, welche Generalisten werden benötigt?
- Welche Fachabteilung besitzt die VP-Richtlinienkompetenz und welche Fachabteilung(en) ist/sind für die VP-Umsetzung verantwortlich?
- Gibt es ein entsprechendes Schulungskonzept?
- Sollen VP-Verantwortlichkeiten/-Aktivitäten auf bestehende Fachabteilungen verteilt werden oder soll beispielsweise eine neue bereichsübergreifende spezielle und interdisziplinär besetzte VP-Fachabteilung gegründet werden, die unmittelbar an den CFO berichtet?
- Wie ist das Selbstverständnis einer für die VP verantwortlichen Fachabteilung: ›Business Partnering‹ oder eher ›Guideline Owner‹?
- Ist festgelegt, welche Fachabteilung für welche Themen bzw. Aktivitäten verantwortlich ist, z. B. mithilfe einer Prozessbeschreibung in BPMN 2.0 (siehe Kapitel 4.4.3), einer RACI-Matrix, eines Activity Splits oder mit Job Descriptions?
- Sind VP-Beauftragte (›Transfer Pricing Officer‹) fachbezogen, global/regional oder divisional benannt worden?
Das Thema Verrechnungspreise betrifft nicht nur die Steuerabteilung und das Controlling. Es handelt sich dabei vielmehr um interdisziplinäre Aufgaben verschiedener Fachabteilungen, bei denen jeweils zu überlegen ist, ob eine zentrale Verortung sinnvoll ist oder ob es einer lokalen Unterstützung bedarf. Sehen Sie dazu di...