Wie geht man in Prozess- oder Automatisierungs-Projekten vor?

Folgende Reihenfolge hat sich bewährt:

  • Prozesse erfassen (Interviews und/oder Einsatz von Process Mining Tools).
  • Prozesse dokumentieren.
  • Prozesse analysieren und standardisieren. Ohne Standardisierung keine Automatisierung.
  • Identifikation von Prozessschritten, die automatisiert werden können.
  • Automatisierung von Prozessschritten im ERP-System oder mithilfe von Softwarelösungen, die speziell für VP-Zwecke entwickelt worden sind. Die Auswahl solcher Lösungen ist mittlerweile groß. Für weitere Details und Praxisbeispiele wird auf die nachfolgenden Kapitel 4.4.4 bis 4.4.9 verwiesen.

Was bedeuten BPMN 2.0 und DMN?

Derzeit findet man in Unternehmen folgende unterschiedliche Prozess-Modellierungs- und Prozess-Dokumentations-Ansätze, nach Reifegrad aufsteigend sortiert:

  • Es existiert gar keine Prozess-Dokumentation.
  • Die Prozess-Dokumentation ist eine auf Text basierende Beschreibung, die darlegt, welche Abteilung wann was erledigen soll. Technologie: z. B. Word, Excel.
  • Die Prozesse sind grafisch als Swim-Lane-Diagramme dargestellt, wobei diese eher ›gezeichnet‹ werden. Technologie: z. B. PowerPoint, Visio.
  • Die Prozesse sind mit einer professionellen Prozess-Software modelliert worden, idealerweise im BPMN-2.0-Standard. Technologie: z. B. ARIS, Camunda, Signavio[15].
  • Die in BPMN 2.0 modellierten Prozesse werden nun automatisch ausgeführt. Technologie: z. B. ARIS, Camunda, Signavio, TIM[16].

Mit Bezug auf die letzten beiden Aufzählungspunkte gehen wir nun auf die Technologie und Methode ein, wonach Prozesse heutzutage professionell modelliert, dokumentiert und ggfs. automatisiert werden sollten.

Unter BPMN (Business Process Model and Notation) 2.0 versteht man ein herstellerunabhängiges weltweit standardisiertes Format, in dem Prozessbeschreibungen in Form von Flussdiagrammen erfasst, analysiert, dokumentiert und schließlich automatisiert (vgl. Kapitel 4.4.3.3) werden können. Es handelt sich um eine einfache Form der Prozessdarstellung, bei der die relevanten Aufgaben, Informationsflüsse, Entscheidungen und Bedingungen in grafischer Form mit Standardsymbolen so wiedergegeben werden, dass sie schnell visuell erfassbar sind. Im Gegensatz zu einfachen, gezeichneten ›Prozess-Grafiken‹ wird bei der grafischen Prozessmodellierung nach BPMN 2.0 im Hintergrund automatisch ein maschinenlesbarer Code generiert, der es ermöglicht, die modellierten BPMN-Prozesse auch in andere technische Workflow-Management-Lösungen zu überführen und dabei die Prozessflussinformation zu übertragen.

Da die Prozessaufnahme und -dokumentation sehr arbeitsintensiv ist, weil i. d. R. sehr viele Mitarbeiter entlang des zu dokumentierenden Prozesses detailliert interviewt werden müssen, ist es absolut sinnvoll, die Prozessdokumentation gleich in einem weiterverwendbaren Format BPMN 2.0 zu erfassen, sodass das Unternehmen überhaupt die Möglichkeit hat, diese Prozesse ohne Mehraufwand zu automatisieren. Außerdem ist das Unternehmen dann unabhängig von bestimmten Prozesssoftwareherstellern.

Unter der Bezeichnung Decision Model and Notation (DMN) etabliert sich derzeit ein Standard zur Modellierung von Entscheidungsprozessen, losgelöst von den Geschäftsprozessmodellierungen. Hierbei können Entscheidungsprozesse, ähnlich zu BPMN, grafisch abgebildet und mit Entscheidungstabellen hinterlegt werden. Ändern sich die Entscheidungsregeln (z. B. steuerliche Anforderungen oder Wertgrenzen), so müssen lediglich die dahinterliegenden Entscheidungstabellen durch die Fachabteilung (d. h. nicht die IT) angepasst werden, während die Geschäftsprozesse selbst unverändert bleiben. Der große Vorteil besteht darin, dass Anwender über keinerlei Kenntnisse zu den Entscheidungsregeln verfügen müssen. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, die Pflichtfelder mit den einzugebenden Informationen zu befüllen. Anschließend erhält der Anwender auf Basis der angepassten Entscheidungstabellen die korrespondierenden Antworten mitgeteilt. Ähnlich funktionieren auch Workflow-Management-Lösungen, die die Möglichkeit bieten, mit Entscheidungsregeln hinterlegte Formulare bei der Bearbeitung von bestimmten Aufgaben automatisiert bereitzustellen. Derartige Entscheidungsmodelle lassen sich sehr effizient zur steuerlichen Würdigung und Behandlung von Sachverhalten durch operative – zumeist eher steuerfremde – Abteilungen einsetzen.

Ein optimal modellierter Prozess besteht also aus den Geschäftsprozessen, die in BPMN 2.0 dargestellt werden, und den Entscheidungsregeln, die in DMN erstellt werden.

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