Die OECD hat festgestellt, dass der Mangel an zeitnahen Informationen über aggressive Steuerplanungsmodelle die Finanzverwaltungen vor eine der größten Herausforderungen stellt. Der Bericht zu Aktionspunkt 12 schlägt keinen Mindeststandard vor, sondern stellt es den Ländern frei, verbindliche Offenlegungsregelungen einzuführen oder nicht.
Nachdem eine gesetzliche Anzeigepflicht in Deutschland in den vergangenen Jahren mehrfach gescheitert ist, hat die EU mit der Veröffentlichung der sogenannten DAC-6-Richtlinie eine Meldepflicht für grenzüberschreitende Gestaltungen, die bestimmte Kennzeichen erfüllen, geschaffen. Die Meldungen an die nationalen Steuerbehörden sind ab dem 1. Juli 2020 vorzunehmen, jedoch gelten bereits seit Inkrafttreten der DAC-6-Richtlinie am 25. Juni 2018 bestimmte Nachmeldefristen für die Übergangszeit.
Deutschland ist der Umsetzung der Richtlinie mit der Veröffentlichung eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen am 30. Dezember 2019 nachgekommen. Meldepflichtig sind gemäß der EU-Richtlinie grenzüberschreitende Gestaltungen, die mindestens eines der in der Richtlinie aufgeführten Kennzeichen aufweisen und (bei bestimmten Kennzeichen) zusätzlich noch den sogenannten Main-Benefit-Test erfüllen. Aus Verrechnungspreissicht meldepflichtige Gestaltungen betreffen unilaterale Safe-Harbour-Regeln, Übertragungen von schwer zu bewertenden immateriellen Werten sowie gruppeninterne grenzüberschreitende Übertragungen von Funktionen und/oder Risiken und/oder Vermögenswerten, wenn der erwartete jährliche EBIT des abgebenden Unternehmens in den drei Jahren nach Übertragung weniger als 50 % dessen beträgt, was er ohne Übertragung erwartet hätte.
Besonders schwierig für die operative Umsetzung der neuen Meldepflicht für den Steuerpflichtigen sind einerseits die sehr kurze Meldefrist von 30 Tagen nach dem ersten Umsetzungsschritt der jeweiligen Gestaltung und zweitens die teilweise stark voneinander abweichenden nationalen Umsetzungsgesetze in den EU-Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund ist es für jeden Steuerpflichtigen wichtig, einen sauberen Prozess zur Erfassung möglicher Gestaltungen, zur steuerlichen Würdigung im Hinblick auf die Meldepflicht und zur tatsächlichen Meldung bei der relevanten Behörde aufzusetzen. Auf diese Weise lassen sich die teilweise empfindlich hohen Strafen bei Nichtmeldung vermeiden.