So trivial es scheinen mag, aber die Sachverhaltsermittlung ist das "A und O" für eine profesionalle und effiziente Beurteilung und Lösungsfindung hinsichtlich folgender Frage: Wie lässt sich die tatsächliche Transaktion (siehe am Ende dieses Kapitels) möglichst gut beschreiben und mit welcher VP-Methode soll man die konzerninterne Lieferung oder Leistung bepreisen, um eine möglichst sachgerechte und wertschöpfungsadäquate Verteilung des Konzernergebnisses auf die Konzerngesellschaften zu erreichen?
Mit Sachverhaltsermittlung ist gemeint, alle Fakten zu identifizieren, zu sammeln und zu verifizieren, die man benötigt, um sie aus VP-Sicht beurteilen zu können. Beispielsweise sollten folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche Gesellschaft liefert/leistet an welche Gesellschaft(en)?
- Welche Gesellschaft fakturiert diese Ware/Leistung an welche Gesellschaft(en)?
- Was ist der Gegenstand der Transaktion? Lieferung Fertigprodukt, Halbfertigprodukt, Rohmaterialien, konzernfremde Handelsware, Ersatzteile? Welche Art der Dienstleistung, Finanzierung, Know-how-Überlassung, Entsendung?
- Existiert eine vergleichbare Transaktion mit fremden Dritten (Ein- oder Verkauf)?
- Handelt es sich um eine laufende Transaktion oder um eine Einmal-Transaktion?
- Zu welchen Konditionen soll bepreist werden? Währung? Incoterms? Zahlungsziele? Rabattstaffelmodelle? Konzernpreisliste?
- Existiert ein konzerninterner Vertrag oder eine VP-Richtlinie zu dieser Transaktion?
- Ist diese Transaktion bereits in einer in- oder ausländischen Betriebsprüfung aufgegriffen worden? Kam es zu steuerlichen Korrekturen?
Da VP-Sachverhalte naturgemäß mindestens zwei Parteien betreffen und eine der Parteien i. d. R. im Ausland sitzt, empfiehlt es sich dringend, den Sachverhalt mit beiden Parteien abzustimmen. Häufig genug stellt man in Projekten fest, dass die erste Sachverhaltsschilderung, die die Basis für die Strategieentwicklung und VP-Beurteilung hätte sein sollen, nicht abgestimmt, nicht vollständig, nicht richtig, missverständlich oder einseitig war. Sobald man dies im Nachgang erkannt hat, beginnt dann die Sachverhaltsermittlung leider von vorne, was für keinen der Beteiligten effizient ist.
Grundsätzlich ist es nicht notwendig, jede Einzelfaktura, -lieferung, -leistung einzeln aus VP-Sicht zu beurteilen und zu dokumentieren. Es ist zulässig, ähnliche Sachverhalte/Transaktionen zu gruppieren. Allerdings ist zu dokumentieren, nach welchen Kriterien die Gruppierung vorgenommen worden ist. Typischerweise ergeben sich in der Praxis folgende Transaktionsgruppen (nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung):
Lieferungen:
- Lieferung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (zur Verarbeitung beim Empfänger)
- Lieferung von Halbfertigprodukten (zur Verarbeitung beim Empfänger)
- Lieferung von Fertigprodukten (zum Vertrieb)
- Lieferung von (extern zugekaufter) Handelsware (zum Vertrieb)
- Lieferung von Ersatzteilen/-geräten
Dienstleistungen:
- Auftragsfertigungsleistung
- Auftragsentwicklungsleistung
- Handelsvertreterleistung
- Management-/Kontrollleistung
- Sonstige Dienstleistung
Lizenzierung
Personalentsendung
Finanzierungstransaktionen:
- Darlehensgewährung
- Cash Pool
- Gewährung von Bürgschaften/Garantien
Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle:
- Umstrukturierungen
- Funktionsverlagerungen
- Umlageverträge
- Änderung der Geschäftsstrategie
Nachdem ermittelt worden ist, welche konzerninternen Parteien eine Transaktion austauschen und zu welcher der oben genannten Transaktionsgruppen diese zuzuordnen ist, sollte noch geklärt werden,
- ob und inwieweit bereits vertragliche Vereinbarungen bestehen, die die Rechte und Pflichten beider Parteien sowie etwaige andere Konditionen (Vergütung, Zahlungsziele, Incoterms etc.) regeln und
- ob ähnliche Transaktionen schon mit fremden Dritten ausgeführt werden.
Was versteht man unter der Beschreibung der "tatsächlichen Transaktion"?
Die OECD beschäftigt sich im Rahmen des Berichts zu den Aktionspunkten 8–10 intensiv mit der Anforderung, dass die tatsächliche Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen "richtig" identifiziert und beschrieben wird. Für diese Transaktion soll dann überprüft werden, ob die vereinbarten Konditionen und Preise auch zwischen unabhängigen Dritten (fremdüblich) festgelegt worden wären. Mit anderen Worten: Der Fremdvergleichstest soll nun zweistufig erfolgen. In einem ersten Schritt ist die konzerninterne Geschäftsbeziehung samt den wirtschaftlich erheblichen Charakteristika ("economically relevant characteristics") bzw. Fremdvergleichsfaktoren zu identifizieren. In einem zweiten Schritt werden diese Charakteristika der konzerninternen Transaktion mit denen verglichen, wie sie fremde Dritte vereinbaren würden. Es geht der OECD darum, dass die tatsächlich durchgeführte konzerninterne Transaktion möglichst gut beschrieben wird, um sie auf Fremdüblichkeit testen zu können. Hierbei soll der zugrunde liegende Vertrag zwar der "Startpunkt" ("starting point" OECD (2015) Kapitel I, Tz. 1.42) sein, allerdings gilt weiterhin der Grundsatz "substan...