Im Rahmen der Diskussion der Grenzkosten wurde eine wichtiger Aussage getroffen: Die leistende Einheit ist solange mehr zu liefern bereit, wie die eigenen Kosten durch Erträge in Form von Verrechnungspreisen gedeckt sind. Aber daraus kann nicht automatisch gefolgert werden, dass die Lieferung auch intern erfolgen würde. Es ist leicht einzusehen, dass Kunden außerhalb des Konzerns für das Servicecenter die bessere Alternative darstellen – sofern sie verfügbar sind. Es besteht ein Anreiz zur Fremdlieferung.
Erste Wahl ist also der Markt(preis) und nicht die interne Lieferung zu Grenzkosten. Der interne Abnehmer müsste also einen höheren Preis zahlen, wenn er in Konkurrenz zu fremden Dritten um die Leistung des Servicecenters stehen würde. Man könnte daher auch sagen, dass die Formel ›Grenzkosten = Grenzerlöse‹ einen Spezialfall darstellt. Es fehlen die Kosten der Opportunität. Opportunitätskosten sind im obigen Beispiel der entgangene Erfolg des externen Geschäfts, sofern an den externen Markt geliefert werden kann.
Opportunitätskosten entstehen auch bei knapper Kapazität. Wird ein anderes Produkt verdrängt, dann bildet der entgangene Erfolg der verdrängten Produkte die Opportunitätskosten. Analog zu Marktpreisen möchte der Leistungserbringer lieber diesen Erlös erwirtschaften als nur seine Grenzkosten. Es bestehen also auch hier Opportunitätskosten, die den Preis für den internen Nachfrager erhöhen. Nur sofern weder der Markt beliefert werden kann noch Kapazitätsengpässe bestehen, sind die Opportunitätskosten Null. Es kann also allgemeiner formuliert werden:
Nur wenn die Opportunitätskosten Null sind, ergeben sich als Verrechnungspreis die Grenzkosten. Die Empfehlung, Produktkosten zu verrechnen, um so das Konzernergebnis vor Steuern zu maximieren, ist damit ein Extremfall der oben in der Formel dargestellten allgemeineren Lösung. Das andere Extrem wird durch den Marktpreis gebildet (vgl. Teil C, Kapitel 18.1). Alle übrigen Verrechnungspreisvarianten liegen dazwischen. Es handelt sich um ein Kontinuum von Verrechnungspreisen entlang des Kalkulationsschemas. Insbesondere die Herstellungskosten sollen wegen ihrer Bedeutung im externen Rechnungswesen intensiv diskutiert werden. Die anteilige Zurechnung der Strukturkosten auf eine Leistungseinheit des ›Cost-plus-Verfahrens‹ wirkt anders als die Zurechnung ›en bloc‹. Auch der abteilungsübergreifende Ansatz der Prozesskosten bietet Steuerungsmöglichkeiten gerade im Infrastrukturbereich.
Zudem existiert mit der Verhandlungslösung (›Service-Level-Agreements‹) ein besonders spannendes Thema. Einerseits erfreut sich der Verhandlungsansatz in großen Konzernen zunehmender Beliebtheit, weil er eine wirklich dezentrale Lösung ist. Sie fördert dezentrales Wissen und dezentrale Entscheidungsprozesse. Andererseits ist diese Lösung besonders aufwendig und bietet zahlreiche Fehlermöglichkeiten.
Fazit
Grenzkosten inkl. Opportunitätskosten sind betriebswirtschaftlich der richtige Ansatz zur Berechnung der Verrechnungspreise, wenn die Ressourcensteuerung das wichtigste Ziel darstellt. Sogar Strukturkosten können ergänzend en bloc verrechnet werden. Steuerlich sind sie nicht zulässig, da sie i. d. R. dem Fremdvergleichsgrundsatz zuwiderlaufen.