Nicht alle Bedingen sind vom Unternehmen beeinflussbar. Ob den internen Abteilungen Zugang zum Markt eingeräumt wird, kann die Geschäftsführung entscheiden (Kriterium 1). Ob sie es tun sollte oder nicht, werden wir noch diskutieren. Der Absatz bzw. Zukauf der Leistung wird nur auf wenigen Märkten unbeschränkt möglich sein (Kriterium 2), aber die typischen Mengen, die dabei unterjährig über den externen Markt zu bewegen wären, stellen wohl kein Problem dar. Das gilt zumindest so lange, wie keine radikalen Änderungen der Absatzmenge angedacht werden. Anpassungen an schwankende Marktpreise lassen sich ebenfalls noch gut umsetzen (Kriterium 3). Drei von fünf Voraussetzungen stellen in der Praxis darum meist kein Problem dar. Die letzten beiden Kriterien werden wir uns in diesem und dem nächsten Kapitel genauer ansehen.
Das vierte Kriterium ›Äquivalenz von interner und externer Leistung‹ setzt voraus, dass die Leistung überhaupt am Markt verfügbar ist. Die Frage, ob ein einheitlicher Marktpreis gegeben ist, stellt sich vielfach nicht. So sind z. B. in Entwicklungskooperationen Zwischen- und Endprodukte nur zwischen den Partnern erhältlich. In anderen Fällen sollen Leistungen, oft in Verbindung mit technischem Know-how (vgl. Teil B, Kapitel 9 und Kapitel 11.5.4), aufgrund strategischer Überlegungen nicht angeboten werden oder nicht zugekauft werden müssen.
Teilweise besteht ein Angebotsmonopol. Gerade für staatliche Einrichtungen lassen sich zahlreiche Beispiele finden, aber auch für Firmen kann das zutreffen. ›Abwasser‹ wäre dafür ein Beispiel. Wegen der Standortgebundenheit der Leistung gibt es nur einen Anbieter. Das Wasser muss vor der Einleitung in die öffentliche Kanalisation geklärt werden. Monopole zeichnen sich aber durch erhebliche Preisspielräume zulasten der Nachfrager aus. Das ist keine firmenintern erwünschte Situation. Erst durch eine Ausschreibung kommen neue Anbieter hinzu. Damit würde jedoch die Leistung nicht mehr selbst erstellt und auch kein interner Verrechnungspreis benötigt. Unser Problem würde damit nicht gelöst, sondern umgangen und schafft womöglich neue Probleme. Im Folgenden schließen wir solche und ähnliche Beispiele aus unseren Überlegungen aus. Wir betrachten im Folgenden nur noch Preise, die sich unter Wettbewerbsbedingungen an einem freien Markt ergeben.
Wenn nun ein (mehr oder minder einheitlicher) Marktpreis auf einem Wettbewerbsmarkt vorliegt, dann wollen wir vereinfachend unterstellen, dass die Leistungen von vergleichbarer Qualität sind. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass der von der Konkurrenz gewählte Preis auch für die eigene Firma passen müsste. Wenn in der Literatur über Verrechnungspreise geschrieben wird, findet man schnell die Feststellung, dass der Marktpreis ein ›fairer Preis‹ sei. Schließlich ist dieser Preis von anderen, das heißt an einem Markt, bereits vereinbart worden. Über den psychologischen Vorteil der ›Fairness‹ darf nicht vergessen werden, die Kalkulation der Konkurrenz zu hinterfragen. Die Übernahme des Marktpreises ist wie Abschreiben in einer Prüfung: Wenn die andere Firma eine schlechte Lösung gewählt hat, dann sollten wir sie nicht übernehmen. Provokant formuliert: Wenn der Marktanbieter Pleite geht – gehen wir dann (intern) mit? Es ist i. d. R. einfacher, direkt eine eigene Kalkulation aufzubauen, als die Kalkulation des Konkurrenten zu überprüfen.
Nicht nur die operative Überprüfung der Kalkulation ist schwierig. Auch strategisch ergeben sich aus der Übernahme eines externen Marktpreises einige Probleme: Bereits die strategische Grundausrichtung eines Unternehmens kann dazu führen, dass ein Marktpreis nicht übernommen werden kann. Die Ausrichtung auf Preis- und Kostenführerschaft führt zu einer anderen Preisgestaltung als die Differenzierungsstrategie. Ein einheitlicher Marktpreis wie vom vierten Kriterium gefordert, kann für einen Markt nicht vorausgesetzt werden. Zudem ist der Marktpreis immer auch ein Zeichen von Marktmacht: Patente und andere Schutzrechte, Mengenbedarf der Nachfrager und Lieferfähigkeit der Anbieter, die Anzahl der Anbieter sowie der Nachfrager usw. entscheiden über die Machtverteilung. Kann und soll man ein extern gegebenes Machtverhältnis von Lieferanten und Kunden in den Konzern übertragen?
Generell ist ein Marktpreis eine Lösung, die in einem anderen Kontext erarbeitet wurde. Während der externe Markt von Wettbewerb geprägt ist, soll intern durch die Leistungsbeziehung ›nur‹ die Koordination verbessert und der Ressourceneinsatz effizienter werden. Die Zusammenarbeit im Konzern muss durch Kooperation und nicht durch Wettbewerb bestimmt sein. Den Marktdruck in die Unternehmung zu bringen bedeutet, die Notwendigkeit zu guter Qualität und niedrigen Kosten in vorgelagerte Unternehmenseinheiten zu tragen. Der Marktpreis ist eine Zahl. Es wird lediglich ein Preisniveau in die Unternehmung gebracht. Damit ist aber nichts über andere Aspekte (z. B. Qualität oder Zeit) und nichts über die Art und Weise, wie dieses Niveau erreicht werde...