Im letzten Kapitel wurde überlegt, ob die Leistungserstellung effizient erfolgt. Dabei wurde auch geprüft, wieso überhaupt diskutiert werden muss, ob ein interner Kunde durch einen korrigierten Marktpreis geschützt wird? Warum kommt der Wunsch auf, Leistungen nicht intern beziehen zu müssen, sondern von außerhalb zuzukaufen? Warum gibt es in vielen Unternehmen einen internen Bezugszwang und bei anderen einen Lieferzwang?
Der Zwang zum internen Bezug bzw. zur internen Lieferung der Leistung wäre bei Gültigkeit der fünf idealtypischen Voraussetzungen (Teil C, Kapitel 18.1.1) sinnlos. Der Kunde würde die Leistung freiwillig intern beziehen, weil er sie am freien Markt nicht besser oder preiswerter bekommen könnte. Das Servicecenter würde nicht zur Lieferung gezwungen werden müssen. Da es am internen Kunden nicht weniger oder mehr verdient als bei der Lieferung an externe Kunden am Markt, wäre es bezüglich der Kunden indifferent.
Aber diese idealisierte Sicht des Markts existiert nicht und sehr häufig ist das Servicecenter teurer als der externe Anbieter. Dann ist ein interner Liefer- oder Bezugszwang kurzfristig fast immer sinnvoll. So muss nicht zweimal bezahlt werden: extern für die dort zugekaufte Leistung und intern ›fürs Herumsitzen‹ der nicht beschäftigten Mitarbeiter. Der interne Abnahmezwang ist kurzfristig wegen der ›Nicht-Abbaubarkeit der Kosten‹ (z. B. Kündigungsschutz) notwendig.
Unglücklicherweise scheint dies der Grund zu sein, warum das Problem nicht angegangen wird. Der kurzfristige Vorteil scheint einer dauerhaften Lösung vorgezogen zu werden. Das wirkt der Kapazitätsanpassung entgegen, die auch nicht im Interesse der direkten Vorgesetzten ist. Diese scheuen Entlassungen von Mitarbeitern, wollen größere Budgets und mehr Einfluss im Unternehmen. Vielfach plädieren gerade sie für Umlagen, um Überkapazitäten nicht erkennbar werden zu lassen (vgl. Teil C, Kapitel 16.2.2). Ohne Grundsatzentscheidung wird weiterhin intern bezogen, so, als ob dies dauerhaft vorteilhaft sei. Viele Konzerne versuchen die Kosten des Servicecenters vor allem durch Standortzusammenlegungen (Shared Services) und Standortverlagerungen zu senken. Mit anderen Worten: Die Kosten der Leistungserbringung werden gesenkt. Ein weiterer Ansatz könnte darin bestehen, die Leistungsmenge zu senken (vgl. Teil C, Kapitel 17.4.1).
Im Folgenden soll aber ein ganz anderer Gedanke im Vordergrund stehen: Ein Unternehmen muss eine effizientere Lösung als der Markt erzeugen. Das ist die Existenzbegründung eines Konzerns. Wo Zwang ausgeübt werden muss, da scheint es um den Vorteil schlecht bestellt zu sein! Die Vorteile müssten sich in einer Korrekturrechnung zum Marktpreis darstellen lassen. Das entspricht dem Vorgehen bei der Berechnung modifizierter Marktpreise – anders durchgeführt, aber analog zur Logik der steuerlichen Marktpreis-Minus-Methode. Können die vermuteten Vorteile nicht dargestellt werden, dann wäre es mittelfristig vielleicht besser, die Leistung extern zu beziehen. Die Tätigkeit scheint weder Kernaufgabe noch Kernkompetenz des Konzerns zu sein. Das spräche für Outsourcing.
Leider können Verrechnungspreise für die Frage, ob ein Outsourcing sinnvoll ist, nur Indikatoren sein. Einiges bliebe zu prüfen, um es in eine Investitionsrechnung einfließen zu lassen: Know-how, Abhängigkeit, Qualität usw. Das ist nicht frei von Tücken. Anfragen wie Angebote enthalten oft nicht alle Leistungen. Bisher kostenlose ›Kleinigkeiten‹ werden nach dem Outsourcing vom neuen Anbieter mit einem Preisetikett versehen. Manches günstige (Lock-)Angebot wird im Zeitablauf teuer. Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Ist das Servicecenter dagegen wettbewerbsfähig, lautet die Aufgabe, den Vorteil aufzuzeigen, den die interne Kunden-Lieferanten-Beziehung bietet (Transparenz) und dann einen Anreiz zu setzen, diesen Vorteil zu nutzen (Motivation). Dann wäre kein Abnahmezwang mehr nötig, weil jeder Manager so handelt, wie es seinen Bonus erhöht. Aber genau an dieser Stelle ergibt sich ein Problem mit der Wiederverkaufspreismethode (vgl. Teil B, Kapitel 11.1.2). Diese weist dem Vertrieb eine Marge auf Basis der Funktions- und Risikoanalyse zu (vgl. Teil B, Kapitel 9). Mit anderen Worten: Vorteile aus dem konzerninternen Bezug der Leistung werden nicht sichtbar gemacht. Der steuerliche Preisabschlag zum Marktpreis entspricht nicht den Marktpreiskorrekturen aus Teil C, Kapitel 18.1.3, Abbildung 196. Das darf wegen des steuerlichen Fremdvergleichsgrundsatzes auch nicht sein. Preis und Leistung müssen den Vertrieb so stellen, wie er sich beim Fremdbezug am externen Markt stellen würde. Dadurch ergibt sich das Dilemma, dass der steuerliche Verrechnungspreis keinen Anreiz setzt, die Leistung intern zu beziehen. Unveränderte Marktpreise als Basis für Verrechnungspreise sind daher prinzipiell ein Widerspruch zum Konzerngedanken.
Hierin liegt zugleich einer der grundlegenden Unterschiede zur steuerlichen Denkweise. Diese will jeder Funktion einen angemessenen Anteil am Gewinn zu...