Leitsatz
1. Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbstständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse – beim Veräußerer – zu entscheiden.
2. Wird ein Betriebsteil einer Fahrschule veräußert, so kann dessen Eigenständigkeit nicht allein aus dem Grund verneint werden, dass dem Betriebsteil im Zeitpunkt der Veräußerung nicht mindestens ein Schulungsfahrzeug (hier Pkw oder Motorrad) zugeordnet ist.
Normenkette
§ 18 Abs. 3 EStG , § 16 EStG , § 34 EStG
Sachverhalt
Eine Fahrschule war in zwei Orten betrieben worden. Der Inhaber schloss mit einem angestellten Fahrlehrer einen Veräußerungsvertrag, wonach dieser zum 1.1.1997 den Betriebsteil in einem Ort und zum 1.7.2000 auch den restlichen Betrieb übernehmen sollte. Mit der ersten Übertragung sollte der Erwerber keines der vorhandenen Schulungsfahrzeuge erhalten.
Der Inhaber der Fahrschule beantragte für den 1997 erzielten Veräußerungsgewinn die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG und des ermäßigten Steuersatzes, weil ein Teilbetrieb veräußert worden sei. Weder FA noch FG schlossen sich dieser Auffassung an. Ein Teilbetrieb hätte nur vorgelegen, wenn dem übertragenen Betriebsteil auch ein Schulungsfahrzeug zugeordnet gewesen wäre.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Es müsse zunächst geprüft werden, ob das Geschäft als Veräußerung des ganzen Betriebs in zwei Akten zu beurteilen sei. Wenn das FG diese Frage verneine, könne eine Teilbetriebsveräußerung trotz Zurückbehaltung der Schulungsfahrzeuge vorliegen, wenn der Veräußerer seine Tätigkeit in dem Ort des übertragenen Betriebsteils vollkommen eingestellt habe.
Hinweis
1. Für die tarifbegünstigte Veräußerung und Aufgabe eines freiberuflichen Betriebs gelten die gleichen Voraussetzungen wie für einen Gewerbebetrieb. Zwar enthält § 18 Abs. 3 EStG eine andere Formulierung als § 16 EStG. Der BFH legt traditionell aber beide Vorschriften identisch aus. Dementsprechend ist auch die Veräußerung eines freiberuflichen Teilbetriebs unter den einschlägigen Voraussetzungen eines gewerblichen Teilbetriebs begünstigt.
Ein ergänzendes Tatbestandsmerkmal kommt für die Teilbetriebsveräußerung eines freiberuflichen Betriebs zu den für Teil-Gewerbebetriebe geltenden Merkmalen hinzu: eine gleichartige personenbezogene Tätigkeit kann allein im Hinblick auf ihren örtlichen Wirkungskreis teilbar sein. Ein Teilbetrieb wird in einem solchen Fall deshalb nur veräußert oder aufgegeben, wenn die Tätigkeit in dem betreffenden örtlichen Wirkungskreis vollständig aufgegeben wird. Nach dem Veräußerungs- oder Aufgabeakt dürfen Mandanten, Klienten oder Patienten dort nicht mehr betreut werden. Wird die Betreuung dieses Personenkreises von einem anderen Standort aus fortgesetzt, sind die Voraussetzungen für eine tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung oder -aufgabe nicht erfüllt.
2. In jedem Fall setzt eine begünstigte Teilbetriebsveräußerung voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs veräußert werden. Hier gilt nach der Rechtsprechung ein gemischt funktional-quantitativer Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage: alle Wirtschaftsgüter, die funktional wesentlich für den Betrieb sind und/oder erhebliche stille Reserven beinhalten.
Dass für eine Fahrschule das Schulungsfahrzeug eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage ist, scheint sich geradezu aufzudrängen. Trotzdem kommt der BFH im Besprechungsurteil zu einem anderen Ergebnis. Er meint, die wirtschaftliche Bedeutung für den Betrieb sei gering, weil man ein solches Fahrzeug jederzeit beschaffen und zu geringen Kosten für eine Nutzung als Schulungsfahrzeug umrüsten könne. Mit dieser Argumentation kann man jedem serienmäßig hergestellten Wirtschaftsgut des Anlagevermögens die funktionale Bedeutung absprechen. Ob der BFH diese Konsequenz generell ziehen will, wird abzuwarten sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.6.2003, IV R 18/02