Leitsatz
Der Gewinn aus einer Inkassotätigkeit ist realisiert, wenn und soweit dem Unternehmer für eine selbstständig abrechenbare und vergütungsfähige (Teil-)Leistung gegenüber seinem Auftraggeber ein prinzipiell unentziehbarer Provisionsanspruch zusteht. Dies gilt auch, wenn ein solcher Provisionsanspruch nur für Teilzahlungen des Schuldners besteht.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 249 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
Sachverhalt
Ein Inkassounternehmen übernahm für seine Kunden die Beitreibung rechtskräftig festgestellter Forderungen. Das Unternehmen hatte das volle Kostenrisiko zu tragen, erhielt dafür aber bei erfolgreicher Vollstreckung vollen Kostenersatz sowie als Provision 50 % der verbleibenden Zahlungseingänge. Das Unternehmen konnte auch Teilzahlungen entgegennehmen und war berechtigt, ein laufendes Verfahren einzustellen. I.d.R. zahlen Schuldner in kleineren Teilbeträgen, über die das Unternehmen jeweils abrechnet und nach Abzug der Kosten 50 % an den Auftraggeber auskehrt.
Im Streitzeitraum passivierte das Unternehmen die bezogenen Provisionen aus noch nicht abgeschlossenen Aufträgen als Anzahlungen und aktivierte zugleich teilfertige Leistungen bezogen auf eine Auftragsdauer von 10 Jahren. Das FA erkannte beide Posten nicht an.
Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2006, 401).
Entscheidung
Auch die Revision blieb erfolglos. Der BFH war wie die Vorinstanz der Ansicht, es sei mit Provisionseingang Teilgewinnrealisierung eingetreten.
Hinweis
1. Das Urteil enthält über den Einzelfall hinaus bedeutsame Ausführungen zur Teilgewinnrealisierung, zur Bilanzierung von Anzahlungen und zur Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen. Dabei folgt es aber in allen Punkten der bisherigen Rechtsprechungslinie des BFH; Neuigkeiten enthält das Urteil nicht.
2. Ob bei teilweiser Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung auch eine Teilgewinnrealisierung eintritt, hängt von der Ausgestaltung des Zivilrechtsverhältnisses ab. Bei Sukzessivlieferungsverträgen tritt z.B. regelmäßig Teilgewinnrealisierung ein, während bei Werkverträgen über langfristige Fertigung nach deutschem Handelsrecht keine Teilgewinnrealisierung erfolgt (sog. completed contract-Methode im Gegensatz zur international üblichen percentage of completion-Methode, IAS 11). Im Besprechungsfall ergab sich aus den Vertragsbestimmungen, dass das Inkassounternehmen auch nach Teilleistungen des Schuldners auf weitere Beitreibungsmaßnahmen verzichten konnte, ohne dass die aus der Teilleistung beanspruchte Provision hätte zurückgezahlt werden müssen. Danach führte jede einzelne Teilleistung auch zur Realisierung des diesbezüglichen Provisionserlöses.
Daraus folgt zugleich, dass die Provisionen keine Anzahlungen auf eine noch zu erbringende Leistung sein konnten. Denn eine Anzahlung ist eine Vorleistung auf eine noch zu erbringende Gegenleistung. Umgekehrt lagen keine teilfertigen Leistungen des Inkassounternehmens vor, denn die Teilleistungen waren jeweils abgeschlossen und führten zur Gewinnrealisierung.
3. Das Unternehmen hatte hilfsweise geltend gemacht, es müsse ein Passivposten i.H.d. Beitreibungskosten, die auf den noch nicht erfüllten Teil der Gesamtforderung entfielen, gebildet werden. Als Passivposten kamen aber weder eine Rückstellung (keine Verpflichtung gegenüber einem Dritten) noch ein Rechnungsabgrenzungsposten (Einnahmen, die Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen) in Betracht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.11.2007, IV R 62/05