Leitsatz
Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist bei börsennotierten Aktien, die als Finanzanlage gehalten werden, auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Wertaufholung vorliegen (entgegen BMF, Schreiben vom 25.02.2000, BStBl I 2000, 372 Tz. 11).
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, erwarb am 23.05.2001, dem Streitjahr, Infineon-Aktien zu 44,50 € je Stück. Der Kurs sank bis zum 31.12.2001 auf 22,70 €, bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses für 2001 stieg er auf 26 € an. Die Klägerin ordnete die Aktien dem Anlagevermögen zu. In ihrer Bilanz zum 31.12.2001 nahm sie eine Teilwertabschreibung auf 26 € pro Aktie vor (insgesamt 468 999,80 €).
Das FA berücksichtigte die Teilwertabschreibung mit der Begründung nicht, es fehle der Nachweis einer dauernden Wertminderung. Die anschließende Klage blieb erfolglos, das FG wies sie ab (EFG 2006, 1414).
Entscheidung
Anders der BFH: Der Börsenkurs sei im Grundsatz das Maß der Dinge, in den auch die voraussichtliche künftige Entwicklung im Regelfall schon „eingepreist” sei. Folglich sei die Wertabschreibung denn auch gerechtfertigt und objektiv nach außen dokumentiert.
Hinweis
Der Zufall der Tagesaktualität spielte ersichtlich mit: Just und passend zum „kleinen” Börsencrash am 23.01.2008 war dieses Grundsatzurteil des BFH „veröffentlichungsreif”. Es passt insofern, als dem aktuellen Börsenkurs in diesem Urteil eine besondere und große Bedeutung beigemessen wird:
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997 (i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Grundsatz mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann für solche Wirtschaftsgüter gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist.
2. Dazu, wann und unter welchen Umständen eine derartige „voraussichtlich dauernde Wertminderung” bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auszugehen ist, hat der BFH durch Urteil vom 14.03.2006, I R 22/05 (BFH-PR 2006, 339) judiziert. Das ist dann der Fall, wenn der Teilwert des Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt. Der BFH hatte darin das BMF-Schreiben vom 25.02.2000 (BStBl I 2000, 372) bestätigt.
3. Großes Rätseln besteht nun darüber, wie es sich bei börsennotierten Wertpapieren des Anlagevermögens verhält:
- Das BMF sieht (in dem Schreiben vom 25.02.2000, dort in Tz. 11) in dem Börsenkurs „im Zweifel” eine bloße vorübergehende Wertschwankung, welcher insoweit keine sonderliche Ausdruckskraft zukommt. Die Wertentwicklung sei über einen Prognosezeitraum zu beobachten, welcher jedenfalls nicht unter 10 Jahren liegen dürfe.
- Das IdW (WPg. 2002, 475) erkennt „im Zweifel” umgekehrt eine „echte” fortdauernde Wertminderung.
- Und der BFH erkennt schlicht in dem Börsenkurs aus Sicht des Bilanzstichtags die richtige, alle zukünftigen Ereignisse widerspiegelnde (und damit zugleich auch nachgewiesene) Prognose über den „wahren” Unternehmenswert. „Besser” als dieser verobjektivierte Wert, in den weitgehend alles „eingepreist” ist, kann niemand, auch der Unternehmer, nicht sein. Wenig stichhaltiger, eher aberwitziger Differenzierungen nach Stichtagswerten, voraussichtlichen Werten und dauernden Werten bedarf es nicht mehr, sie beruhten ohnehin (weil kaum nachvollziehbar) nur auf einer „Schein-Verobjektivierung”.
4. Wertabweichungen zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzerstellung wird in Anbetracht dessen im Regelfall keine Bedeutung beizumessen sein.
Denn solche Abweichungen sind gemeinhin gleichermaßen Ausdruck der „wahren” Wertabbildung. Sie sind damit wertbegründend und nicht auf den Bilanzstichtag zurückzubeziehen. Anders -- also wertaufhellend -- kann es sich (nur) verhalten, wenn die Wertabweichung widerspiegelt, was schon zuvor vorhanden war, etwa eine am Bilanzstichtag schon vorliegende, aber zu diesem Zeitpunkt noch „unentdeckte” Kursmanipulation infolge Insiderhandels oder ähnliches.
5. Davon abgesehen muss das Erfordernis der voraussichtlich dauernden Wertminderung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. ohnehin stets in der Zusammenschau mit der zugleich geschaffenen Teilwertzuschreibung nach Satz 3 der Vorschrift im Falle der Werterholung gesehen werden. Das ist als Kehrseite auch von Beraterseite für die Folgejahre unbedingt zu beherzigen!
6. Das dem Revisionsverfahren beim BFH beigetretene BMF hatte sein Plädoyer nachhaltig auf die materielle Konkordanz der „voraussichtlich dauernden Wertminderung” im EStG und in dessen „Grundlegung” qua Maßgeblichkeit, dem HGB, dort § 341b, gestützt. Davon grenzt der BFH ab, indem e...