Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Ende des Drei-Tages-Zeitraums an einem Sonntag. Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2001
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Rechtsanwälten gilt die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auch dann, wenn die Sendung an einem Sonnabend in das Postfach eingelegt wird. Ob das Postfach an diesem Tag geleert wird, ist unerheblich.
2. Zweifel an der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 AO können nur erweckt werden, wenn Tatsachen vorgebracht werden, die es als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass auch nur an einem der drei Tage innerhalb der Zugangsvermutung die Möglichkeit der Bekanntgabe in Gestalt der Bereithaltung zur Abholung bestand.
3. Auf die Verhältnisse am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post kommt es nicht an. Unbeachtlich ist, wenn dies ein Sonntag gewesen ist, an dem üblicherweise weder Briefsendungen in Postfächer einsortiert, noch Postfächer geleert werden.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 30.01.2004; Aktenzeichen V R 55/02) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erlass der steuerlichen Nebenleistungen fristgemäß Einspruch eingelegt hat.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 1998 nahm der Beklagte den Kläger als Geschäftsführer der XXX-GmbH für deren rückständige Steuern und Nebenleistungen in Haftung. Im Rahmen des dagegen geführten Einspruchsverfahrens beantragte der Kläger den Erlass der im Haftungsbescheid aufgeführten steuerlichen Nebenleistungen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. August 1999 ab. Dieser war an die Postfachadresse des Prozessbevollmächtigten des Klägers adressiert und ausweislich des Bearbeitungsvermerks des zuständigen Sachbearbeiters am selben Tag zur Post gegeben worden. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Den mit Telefax am 30. September 1999 beim Beklagten eingegangenen Einspruch verwarf dieser mit Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2001, unter Hinweis auf die Fristversäumnis, als unzulässig.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, der Ablehnungsbescheid sei ausweislich des Büroeingangsstempels erst am 30. August 1999 bei seinem Prozessbevollmächtigten eingegangen. Dies könne durch die Vorlage des Originalbescheids sowie durch die Vernehmung des Büropersonals nachgewiesen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass der in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten angebrachte Eingangsstempel die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) nicht erschüttern könne, da der Kläger nicht dargelegt habe, mit welchem Eingangsstempel die Eingangspost vom Sonnabend registriert werde.
In einem Telefonat mit dem Berichterstatter hat der Prozessbevollmächtigte am 6. September 2001 angegeben, dass das Postfach der Kanzlei am Sonnabend nicht geleert werde. Eine Unterscheidung, ob die Post die vom Kanzleipersonal am Montag dem Postfach entnommenen Sendungen bereits am Sonnabend oder erst am Montag in das Postfach gelegt habe, sei dem Büro nicht möglich.
Die Parteien haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Einspruchsfrist richtig berechnet und den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen.
Gemäß § 355 Abs. 1 AO beträgt die Einspruchsfrist einen Monat und beginnt mit Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Die Monatsfrist begann im Streitfall – entsprechend der Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO – drei Tage nach der Absendung vom 26. August 1999 am 29. August 1999 und endete am 29. September 1999. Der Kläger hat den Einspruch erst am 30. September 1999 und somit verspätet erhoben.
Zunächst hält es der Senat auf Grund des vom Beklagten in der Rechtsbehelfsakte angebrachten Vermerke für nachgewiesen, dass der an die Postfachadresse des Prozessbevollmächtigen des Klägers andressierte Ablehnungsbescheid vom 26. August 1999 an diesem Tag zur Post gegeben wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Eintragungen unrichtig oder unwahr seien, liegen nicht vor und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
Unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Tagen ist der Bescheid spätestens am Sonnabend, dem 28. August 1999, in das Postfach des Prozessbevollmächtigten einsortiert worden. Der Bescheid gilt damit nach der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 AO am dritten Tage, dem 29. August 1999, als zugegangen.
Der Zugang eines Schriftstücks wird nach der BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn das Schriftstück derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und die Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BFH-Urteil vom 13. Oktober 1994 IV R 100/93, Bundess...