Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Betreibenlassens einer Stromerzeugungsanlage i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG a. F.
Leitsatz (redaktionell)
Einem regionalen Energieversorgungsunternehmen steht für eine aus bloßen Finanzierungszwecken zwischenzeitlich nicht in ihrem Eigentum stehende Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, deren Errichtung sie zur dezentralen Versorgung von Letztverbrauchern einer Siedlung mit Strom und Fernwärme initiiert hat, im Kalenderjahr 2005 eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG i. d. bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung (§ 9 Abs. 1 Nr. 3b StromStG n. F.) als die Anlage betreiben lassendes Unternehmen zu, wenn sich das Unternehmen der Projektgesellschaft, in deren Eigentum sich die Anlage zwischenzeitlich befindet, bedient, um den Strom für ihre Vertragspartner (Letztverbraucher) herstellen zu lassen und die wirtschaftlichen Risiken überwiegend trägt.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3 a.F., Nr. 3b
Tenor
I. Unter Änderung des Stromsteuerbescheides vom 17.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2013 wird die Stromsteuer um 124.853,89 EUR herabgesetzt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für die Stromerzeugungsanlage am Standort in X-Stadt im Kalenderjahr 2005 eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung (StromStG) zusteht. Insbesondere ist streitig, ob die Klägerin die nicht in ihrem Eigentum stehende Anlage betreibt oder betreiben lässt.
Die Klägerin beliefert als regionales Energieversorgungsunternehmen nordwestlich des Thüringer Waldes u. a. im Stadtgebiet X-Stadt sowie angrenzender Ortsteile die Privat- und Geschäftskunden mit Gas, Strom und Wärme. Ferner betreibt sie in diesem Gebiet das örtliche Strom- und Gasnetz. Im Jahr 1991 übernahm sie die Versorgung des Gebiets X, ein Ortsteil von X-Stadt. Zwischen 1992 und 1994 erfolgten der Um- und Ausbau der Wärmeversorgung und die Übernahme der Erdgas- und Stromnetze in X-Stadt.
In diesem Zusammenhang beabsichtigte die Klägerin die Errichtung einer KraftWärme-Kopplungsanlage (BHKW) zur dezentralen Versorgung der Letztverbraucher in der Siedlung X mit Strom und Fernwärme. Die Finanzierung der Anlageninvestition erfolgte durch die ABC GmbH & Co. X-Stadt KG (nachfolgend: ABC), welche zur ABC-Unternehmensgruppe gehört. Die ABC war ab Errichtung der Anlage und noch im Streitjahr 2005 formale Eigentümerin der Stromerzeugungsanlage in Gebiet X. Zum 01.07.2010 erwarb die Klägerin das Eigentum an der Anlage.
Zwischen der Klägerin und der ABC sind verschiedene Verträge abgeschlossen worden. Im Einzelnen:
1. Endschaftsvertrag vom 01.07.1993
Die Klägerin und die ABC unterzeichneten am 01.07.1993 eine als Endschaftsvertrag bezeichnete Vereinbarung (Anlage K 6, Bl. 132ff. d. A.). Darin war vereinbart, dass die Klägerin nach spätestens 20 Jahren Eigentümerin des BHKW werden sollte. Möglich war aber auch ein früherer Erwerb nach 15 Jahren, da zu diesem Zeitpunkt nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Vertragsparteien die Finanzierung abgeschlossen sein sollte. Der Klägerin stand das Recht zu, auf eigene Kosten Investitionen in die Anlage vorzunehmen, selbst wenn ABC diese Investitionen vorab abgelehnt hätte.
2. Gaslieferungsvertrag vom 01.07.1993
Für den Betrieb des BHKW schlossen die Klägerin und die ABC einen Gaslieferungsvertrag (Anlage K 7, Bl. 141ff. d. A.). Diesem zufolge war die Klägerin verpflichtet, das in der Anlage benötigte Erdgas an die ABC zu liefern. Die ABC wiederum war verpflichtet, das benötigte Gas bzw. Heizöl von der Klägerin zu beziehen.
3. Verträge über die Lieferung von Strom vom 01.07.1993
Ebenfalls am 01.07.1993 schlossen die Klägerin und die ABC einen Vertrag über die Lieferung von Strom (Anlage K 8, Bl. 148ff. d. A.). Danach sollte die ABC der Klägerin den in der Anlage erzeugten Strom liefern und die Klägerin diesen abnehmen. Nach § 8 waren die Rechte und Pflichten beider Parteien u. a. dadurch aufschiebend bedingt, dass die Lieferung von Strom an die Klägerin durch ABC und der Weiterverkauf von Strom an Dritte durch die Klägerin zulässig werden.
4. Vertrag über die Lieferung von Wärme vom 01.07.1993
Mit dem Vertrag über die Lieferung von Wärme vom 01.07.1993 (Anlage K 9, Bl. 152ff. d. A.) hatte sich die ABC verpflichtet, die gesamte in der Anlage erzeugte Wärme ausschließlich an die Klägerin zu liefern. Im Gegenzug war die Klägerin verpflichtet, die gesamte Wärme, die gegenwärtig wie auch künftig von den angeschlossenen Verbrauchern nachgefragt wi...