Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen einer Sprachlehrerin in den neuen Bundesländern für Sprachreisen nach Frankreich und England. Einkommensteuer 1994
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Wiedervereinigung bestand ein riesiger Bedarf an Fortbildung bei Englisch- und Französischlehrern in den neuen Bundesländern. In einer nicht zu langen Übergangszeit sind deshalb die Anforderungen für die von der Rechtsprechung für die Anerkennung von Aufwendungen für Auslandsprachreisen als Werbungskosten entwickelten Grundsätze nicht ganz so streng anzuwenden wie in den alten Bundesländern.
2. Aufwendungen einer Lehrerin mit der Lehrbefähigung für Englisch und Russisch für einen Auslands-Intensiv-Sprachkurs in Frankreich im Rahmen eines Erweiterungsstudiums für die Lehrbefähigung in Französisch können im Kalenderjahr 1994 ebenso wie ihre Aufwendungen für einen von einem staatlichen Institut für Lehrerfortbildung organisierten Auslands-Intensiv-Sprachkurs in England bei Beachtung der besonderen Situation in den neuen Bundesländern weitaus überwiegend beruflich veranlasst sein.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 vom 6. Dezember 1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. August 1996 wird dahingehend geändert, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit der Klägerin in Höhe von 3371,– DM anerkannt werden und die festzusetzende Einkommensteuer dadurch auf 22.442,– DM vermindert wird.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anerkennung der Aufwendungen für Sprachreisen der Klägerin nach Frankreich bzw. England als Werbungskosten.
Die Klägerin war im Streitjahr 1994 Sprachlehrerin für die Fremdsprachen Russisch und Englisch. Darüber hinaus unterrichtete sie auch schon Französisch. Um auch in Französisch die Lehrbefähigung zu erwerben, absolvierte sie seit dem 31. März 1992 im Rahmen des F. I. E. D.– Programms (französisch-deutsches Projekt) ein Erweiterungsstudium (Fernstudium) an der Universität XY in Französisch. Im Streitjahr 1994 machte sie in der Einkommensteuererklärung vom 12. Mai 1995 u. a. Aufwendungen in Höhe von 786,80 DM für eine Sprachreise vom 05.–16. April 1994 nach UK/England und in Höhe von 2.614,10 DM für einen Intensivsprachkurs vom 18.– 29. Juli 1994 in TZ/Frankreich geltend. Hinsichtlich der Aufschlüsselung der Kosten wird auf die Aufstellung zur Anlage N zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 (Bl. 7 der FA-Akten) verwiesen. Für die Reise nach UK reichte die Klägerin eine Bestätigung (Bl. 12 der Rechtsbehelfsakte) des Thüringer Instituts für Lehrfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien –ThlLLM– in A. vom … April 1994 ein, auf der die Teilnahme der Klägerin am Außenlehrgang 00000 „The UK Experience” vom 05.04. bis 16.04.1994 in UK/England und ein Eigenkostenbeitrag von 380,– DM zuzüglich der Kosten für den Transfer zwischen ihrer Wohnung und dem Hauptbahnhof in E. bestätigt wurden. Darüber hinaus reichte sie einen detaillierten Stundenplan der „UNIVERSITY OF EAST AGLIA CENTRE FOR ENGLISH LANGUAGE AND BRITISH STUDIES TIME” (in deutscher Übersetzung auf Bl. 67 und 68 der Gerichtsakte) ein. Auf diesen Stundenplan wird Bezug genommen. Auf Blatt 16 der Rechtsbehelfsakte liegt die Genehmigung einer Dienstreise durch den Vorgesetzten für diese Reise vor. Hinsichtlich der Reise nach TZ liegt eine Bestätigung des „CENTRE AUDIO-VISUEL DE LANQUES MODERNES – CAVILAM” in TZ/Frankreich in französischer Sprache vor, in der dokumentiert wird, dass die Klägerin in der Zeit vom 18. bis zum 29. Juli 1994 an einem (freie Übersetzung) Intensivkurs am CAVILAM über 22 Wochenstunden teilgenommen hat (Bl. 20 der Rechtsbehelfsakte). Weiterhin befindet sich ein Stundenplan in deutscher Übersetzung auf Blatt 49 der Gerichtsakten, aus dem sich ergibt, dass von Montag, den 18. Juli 1994, bis Freitag, den 29. Juli 1994, an jedem Wochentag von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr im Institut Kurse und Sprachübungen vorgesehen waren. Auf diesen Stundenplan wird Bezug genommen. Auf Blatt 22 der Rechtsbehelfsakten befindet sich eine Liste der Teilnehmer am Sommerkurs F.I.E.D. – Programm am CAVILAM 1994 in TZ, in der die Namen alphabetisch ohne Berufsbezeichnung aufgelistet sind. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 bestätigt die Universität XY (Bl. 23 der Rechtsbehelfsakte), dass die Klägerin am Intensivkurs am CAVILAM im Rahmen des F.I.E.D. – Erweiterungsstudiums teilgenommen hat.
Der Beklagte erkannte die vorgenannten Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 1995 nicht als Werbungskosten an, weil sie nach dem Gesamtbild der Reise nicht fast ausschließlich beruflich veranlasst gewesen ...