rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderungsmöglichkeit für einen bei der Grenzbetragsberechnung die Sozialversicherungsbeiträge des Kindes nicht berücksichtigenden, bestandskräftigen Kindergeldablehnungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Änderung der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 4 EStG ist nur dann möglich, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entgegen einer früheren Prognoseentscheidung der Familienkasse über- oder unterschreiten. Hat die Familienkasse nach Ablauf des Jahres ihre Prognoseentscheidung bereits einmal überprüft und ist der darauf ergangene Kindergeldaufhebungs- oder Rückforderungsbescheid bestandskräftig geworden, so fällt ein erneuter Antrag auf rückwirkende Bewilligung von Kindergeld nicht unter den Anwendungsbereich von § 70 Abs. 4 EStG.
2. Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 70 Abs. 2 EStG ist die Änderung der (persönlichen) tatsächlichen oder auch rechtlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes. Die Vorschrift greift nicht, wenn nachträglich festgestellt wird, dass das Recht von Anfang an unrichtig angewandt worden ist, also eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert werden soll.
3. Eine Änderung nach § 70 Abs. 3 EStG setzt eine positive Kindergeldfestsetzung voraus und kann daher zur rückwirkenden Korrektur eines rechtswidrigen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheides nicht herangezogen werden.
4. Hat die Familienkasse bei der nach Ablauf des Jahres durchgeführten Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des volljährigen, in Berufsausbildung befindlichen Kindes Sozialversicherungsbeiträge nicht abgezogen und wird ihr erst nach Eintritt der Bestandskraft des Kindergeldaufhebungs- und -rückforderungsbescheids die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 11.1.2005 2 BvR 167/02) bekannt, wonach entgegen früherer BFH-Rechtsprechung bei der kindergeldrechtlichen Grenzbetragsberechnung die eigenen Einkünfte des Kindes um Sozialversicherungsbeiträge zu mindern sind, so kann der Bescheid nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 2-4, § 32 Abs. 4 S. 2, § 31 S. 3; AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 155
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine rückwirkende Durchbrechung der Bestandskraft eines Ablehnungsbescheides in Betracht kommt, insbesondere ob die Korrekturvorschrift des § 70 Abs. 4 EStG eingreift.
Die Klägerin ist die Mutter des am 2.09.1983 geborenen Kindes A. Dieses befand sich im Kalenderjahr 2003 in einer Ausbildung zur Krankenschwester.
Da nach einer Prognoseentscheidung der Beklagten die Einkünfte und Bezüge des Kindes den im Kalenderjahr 2003 maßgeblichen Grenzbetrag überschritten, hob der Beklagte die Festsetzung von Kindergeld mit Bescheid vom 12.03.2003 ab Januar 2003 auf.
Im April 2004 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld und reichte eine Erklärung über die im Kalenderjahr 2003 erzielten Einnahmen sowie erhöhten Werbungskosten ihrer Tochter ein. Ihrem Antrag fügte die Klägerin eine Kopie einer Gehaltsmitteilung für den Monat Dezember 2003 bei, aus dem sich auch die im gesamten Jahr 2003 gezahlten Sozialversicherungsbeiträge ergaben (vgl. Blatt 94 der Kindergeldakte der Beklagten).
Nach Auffassung der Beklagten überschritten trotz der weiteren geltend gemachten Werbungskosten die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag. Sie lehnte den Antrag auf Kindergeld mit Bescheid vom 17.05.2004 ab. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2004 als unbegründet zurück. Gegen diese erhob die Klägerin keine Klage.
Im Juni 2005 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für das Kalenderjahr 2003 und reichte die Lohnsteuerkarte ihrer Tochter mit der Bitte um Überprüfung des Ablehnungsbescheides für das Kalenderjahr 2003 ein.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5.07.2005 ab, da mit dem Bescheid vom 17.05.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2004 bereits bestandskräftig und abschließend über das Kindergeld für das Kalenderjahr 2003 entschieden worden sei. Eine Korrekturnorm, aufgrund derer diese Bestandskraft durchbrochen werden könne, liege nicht vor.
Nach erfolglosem Einspruch verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Klage weiter. Sie ist der Auffassung, die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides könne nach § 70 Abs. 4 EStG rückwirkend durchbrochen werden, da die Beklagte das Gesetz falsch angewandt habe, weil die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag tatsächlich unterschritten hätten. Da das Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich mit Beschluss vom 11.01.2005 2 BvR 167/02, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 ff. entschieden habe, dass das Kindeseinkommen bei der Prüfung des Kindergeldanspruches um die vom Kind gezahlten Sozialversicherungsbeiträge zu reduzieren sei, komme es zum Unterschreiten des Grenzbetrages. Die Beklagte habe im Übrigen zu Unrecht tats...