rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umfang der Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten nach § 9c EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der in § 9c EStG nicht definierte Begriff der Kinderbetreuung ist weit zu fassen. Aufwendungen für die Kinderbetreuung sind alle Ausgaben in Geld oder Geldeswert (z. B. Wohnung, Kost, Waren, Sachleistungen), die für die Betreuung eines Kindes aufgebracht werden. Entstehen Kosten gleichzeitig für andere Leistungen, sind die Kosten grundsätzlich im Schätzungswege aufzuteilen.
2. Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass für die Anerkennung von Betreuungsaufwendungen nach § 9c Abs. 1 EStG die persönliche Fürsorge für das Kind im Vordergrund stehen müsse und Betreuung in diesem Sinne nur die behütende oder beaufsichtigende Betreuung sei. Vielmehr kann die Vorschrift nur so verstanden werden, das sie die Sach- und Betreuungskosten für die Wahrnehmung der Personensorge (§ 1631 BGB), mit Ausnahme der Verpflegungskosten des Kindes und der nach § 9c Abs. 3 EStG ausgeschlossenen Aufwendungen, unterschiedslos erfasst.
3. Da die Aufwendungen wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu behandeln sind, genügt ein tatsächlicher und wirtschaftlicher objektiver Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen. Einer Zwangsläufigkeit, Üblichkeit, Notwendigkeit, Angemessenheit oder Zweckmäßigkeit der Aufwendungen bedarf es nicht.
Normenkette
EStG 2010 § 9c Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 32 Abs. 1; BGB § 1631
Tatbestand
Die verheirateten Kläger erzielten im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus nichtselbständiger Arbeit. Beide Kläger waren im Streitjahr berufstätig. Sie haben die gemeinsame Veranlagung gewählt.
Ihre 1998 geborene Tochter besuchte im Streitjahr eine Ganztagsschule. Während der Schulwochen war das Kind in dem der Schule angegliederten und in der Trägerschaft des Landkreises stehenden Internat untergebracht. Die Betreuung der im Internat wohnenden Schüler erfolgt auf der Grundlage eines mit der Schule abgestimmten Konzepts zur ganzheitlichen Erziehung und Betreuung (§ 3 Abs. 1 der Erziehungsvereinbarung Blatt 33 ff. der Gerichtakte). Nach der Erziehungsvereinbarung hat das Internat neben der Unterbringung und Verpflegung auch für die Erziehung, gesundheitliche Betreuung und Freizeitgestaltung Sorge zu tragen (§ 2 der Erziehungsvereinbarung Blatt 33 ff. der Gerichtakte).
Für die Unterbringung entrichteten die Kläger im Streitjahr eine Gesamtgebühr in Höhe von 2.435 EUR, wovon 1.035 EUR auf die Unterkunft und 1.400 EUR auf die Verpflegung entfielen. Auf den Gebührenbescheid vom 21.07.2010 für das Schuljahr 2010/2011 auf Blatt 71 der ESt-Akte wird Bezug genommen. Die Gebühren für die Internatsunterbringung enthalten nach der Bestätigung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport nur Sachaufwendungen des Internats. Auf das Schreiben vom 11.07.2016 auf Blatt 57 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
In ihrer korrigierten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vom 13.02.2012 machten die Kläger die Unterkunftskosten wegen ihrer Erwerbstätigkeit als Kinderbetreuungskosten geltend.
Der Beklagte versagte die Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten im Einkommensteuerbescheid vom 20.07.2012. Zur Begründung verwies er darauf, dass keine klare Trennung zwischen den Unterkunfts- bzw. den Betreuungskosten möglich sei.
In ihrem Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides führten die Kläger im Wesentlichen aus: Die Internatskosten seien notwendig gewesen. Das Schulkonzept sehe eine gemeinsame Betreuung der Schüler im Internat vor. Außerdem könne einem 11-jährigen Kind die tägliche Anreise vom Wohnort nicht zugemutet werden. Wegen ihrer Berufsstätigkeit hätten sie das Kind nicht täglich in die Schule bringen können. Es sei nicht erkennbar, weshalb eine Trennung der Kosten für Betreuung und Unterkunft vorzunehmen sei. Weiter beantragten sie die Berücksichtigung der bislang nicht geltend gemachten Verpflegungsaufwendungen als Kinderbetreuungskosten. Diese überstiegen mit 7,50 EUR/Tag den Tagesverpflegungssatz des SGB deutlich. Da sie keine Möglichkeit zur Reduzierung der Verpflegungskosten hätten, stünden diese Aufwendungen in unmittelbaren Zusammenhang mit der Betreuung.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.09.2012 ab. Bei der Internatsunterbringung stünde nicht die persönliche und behütende Fürsorge für das Kind im Vordergrund, so dass die Internatskosten nicht zu den förderfähigen Betreuungsdienstleistungen zählten.
Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.09.2012 führten die Kläger aus: Die Betreuung setze erst nach dem Unterricht ein. Im Internat würden seitens der Schule kein Unterricht, Nachhilfeunterricht oder Kurse gegeben, die vom Betreuungsvertrag eingeschlossen seien. Die Internatsunterbringung sei freiwillig und keine Voraussetzung für den Schulbesuch (wie der Schulhort auch). Im Internat würden keine Kurse oder Hobbys angeboten, die von den Einschränkungen der Abzugsfäh...