rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung des Feldinventars bei einem bilanzierenden Landwirt. Zulässigkeit der Anwendung verschiedener Schätzungsmethoden auf verschiedene Getreidearten und des Wechsels der Bewertungsmethode
Leitsatz (redaktionell)
1. Zum Betriebsvermögen eines Landwirts im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG gehören auch das Feldinventar und die stehende Ernte. Unter Feldinventar versteht man die aufgrund der Feldbestellung auf den Feldern vorhandenen Pflanzenbestände. Als stehende Ernte bezeichnet man den auf den Feldern stehenden Bestand an Feldfrüchten, bevor er abgeerntet wird. Der Begriff „Feldinventar” umfasst auch die stehende Ernte. Das Feldinventar ist zwar wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB). Steuerrechtlich handelt es sich aber um selbstständige Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, wobei das Feldinventar einer abgrenzbaren Fläche (eines einzelnen Feldes) als selbstständiges Wirtschaftsgut anzusehen ist.
2. Wird einem Steuerpflichtigen aus Billigkeitsgründen von der Rechtsprechung unbeanstandet von der Finanzverwaltung dauerhaft zugestanden, Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, wie vorliegend in der Landwirtschaft das Feldinventar, im Schätzungswege zu bewerten, so sind bei dieser Schätzung neben den steuerlichen Schätzungsgrundsätzen grundsätzlich auch die handelsrechtlichen allgemeinen Bewertungsgrundsätze (§ 252 HGB) zu beachten.
3. Es ist nach dem Grundsatz der Einzelbewertung nicht zu beanstanden, wenn innerhalb eines Betriebes verschiedene Getreidearten teils nach den Standardherstellungskosten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und teils nach einer betriebsspezifischen retrograden Schätzungsmethode bewertet werden.
4. Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, der willkürliche Bewertungswechsel des Bilanzierenden verhindern, die Vergleichbarkeit aufeinander folgender Jahresabschlüsse erleichtern und verhindern soll, dass durch wiederholte Abweichung von den zuvor angewendeten Bewertungsmethode missbräuchlich ein unrichtiger Periodengewinn ermittelt wird, steht einem Wechsel der Bewertungsmethode (z. B. bei Sonderabschreibungen, aber auch bei der hier streitigen Teilwertabschreibung) für die einzelne Getreideart in verschiedenen Bewertungszeiträumen bzw. zu verschiedenen Bilanzstichtagen nicht entgegen.
Normenkette
EStG §§ 13, 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nrn. 3, 6, § 253 Abs. 2; AO § 162
Tenor
1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2001 vom 04.06.2003, in der Fassung der geänderten Bescheide vom 09.08.2007 und vom 23.07.2008, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2010, wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um 48.000 EUR verringert werden.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten zu 6/10 und der Klägerin zu 4/10 auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten nur noch darüber, ob bei der Bewertung des Feldinventars in verschiedenen Bewertungszeiträumen bzw. für verschiedene Fruchtarten innerhalb desselben Bewertungszeitraumes unterschiedliche Bewertungsmethoden angewendet werden dürfen.
Die Klägerin erzielte als Kommanditgesellschaft (KG) im Sinne von §§ 161 ff des Handelsgesetzbuches (HGB) in den Streitjahren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Sie ist gemäß § 3 Abs. 2 i. v. m. § 2 HGB Kaufmann. Komplementärin ist die „landwirtschaftliches Unternehmen Geschäftsführungs-Gesellschaft mit beschränkter Haftung” (kurz: GmbH), Kommanditist ist Herr B-Mann. Die Verteilung des auf der Ebene der KG ermittelten Gewinns ist zwischen den Parteien nicht bzw. nicht mehr streitig.
Nachdem die Klägerin das Feldinventar bis zum Bilanzzeitpunkt 30.06.2001 entsprechend den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (= aktuelle Bezeichnung – kurz: BMELV) ermittelten Standardherstellungskosten bewertet hatte, ermittelte sie zum Bilanzzeitpunkt 30.06.2002 den Wert eines Teils des Feldinventars anhand einer betriebsspezifischen Schätzung. Ausgehend von den feststehenden Verkaufserlösen wurden retrograd die zwischen dem Bilanzstichtag und der Veräußerung typischerweise im Betrieb anfallenden Kosten (in erster Linie Ernte- und Veräußerungskosten) pauschal mit einem Erfahrungswert von 100 EUR/ha angesetzt und so ein um 96.000 EUR niedrigerer Wert als die Standardherstellungskosten des BMELV-Jahresabschlusses in der Bilanz angesetzt.
Im Rahmen einer für die Wirtschaftsjahre 1998 – 2001 durchgeführten Betriebsprüfung wurden u. a. zu diesem im Klageverfahren nur noch streit...