rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrere in einem Gebäude errichtete Kraft-Wärme-Kopplungsaggregate stellen in ihrer Gesamtheit eine Anlage i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG dar
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff der „Anlage” in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist im Einklang mit dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.10.2004 (III A 1 – V 4250 – 9/04) zu verstehen als Oberbegriff für die Sachgesamtheit von einzelnen technischen Objekten, die in ihrer Gesamtheit der Stromerzeugung dienen. Die einzelnen Module eines in einem Gebäude betriebenen Blockheizkraftwerks (BHKW) mit drei Aggregaten zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme sind danach keine eigenständig zu beurteilenden Anlagen i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, sondern Bestandteile einer einzigen Stromerzeugungsanlage.
2. Der Verzicht auf eine eigenständige Definition des Anlagenbegriffs im StromStG zwingt nicht zu der Annahme, dass die gesetzliche Nennleistungsgrenze für jedes Modul eines BHKW gilt.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Der Stromsteuerbescheid für 2005 vom 28.07.2006, GZ V 4225 B – 4395 – B 15, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2007, GZ S 0625 B – RL 489/06 – B 12, wird dahingehend geändert, dass die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2005 von 556.444,82 EUR um 65.306,11 EUR auf 491.138,71 EUR herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 88 v.H. und der Beklagte 12 v.H. zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert wird auf 529.894 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht im Rahmen der Steuerfreiheit von Strom aus Kleinanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 Megawatt (MW) Leistung die Frage, ob mehrere in einem Gebäude errichtete Kraft-Wärme-Kopplungsaggregate jedes für sich oder in ihrer Gesamtheit eine Anlage i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) darstellen.
Die Klägerin betreibt in einem Gebäude in A-Stadt ein wärmegeführtes Blockheizkraftwerk (BHKW) mit drei Aggregaten zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme sowie vier Heizkessel zur ausschließlichen Erzeugung von Wärme. Das BHKW versorgt den angrenzende Stadtteil mit Fernwärme und die örtlichen Letztverbraucher über das Mittel- und Niederspannungsnetz der Klägerin mit Strom. Die anfänglich über eine elektrische Nennleistung von jeweils 0,792 MW verfügenden Aggregate sind modular aufgebaut und bestehen aus einem Verbrennungsmotor mit einem angekoppelten Generator. Jedes der Module verfügt über eine eigene Steuerung, sodass sie je nach Bedarf zum Abdecken von Strom- und Wärmespitzen getrennt voneinander betrieben werden können. Der in den Modulen erzeugte Strom wird separat erfasst. Demgegenüber werden das als Treibstoff verwendete Erdgas sowie die Wärmeabgabe für alle Module gemeinsam gemessen. Das Abgas der einzelnen Motoren wird über separate Rauchgaskanäle und Schalldämpfer abgeleitet (vgl. Blatt 29 30 der Akte des Hauptzollamtes – HZA –), die von einem gemeinsamen Tragrohr ummantelt sind (Blatt 30 der Akte des HZA).
Ab Mitte 2005 rüstete die Klägerin die Module zur Einhaltung der durch die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft 2002) verschärften Emissionsgrenzwerte mit Katalysatoren nach. Nach Fertigstellung erreichte jedes der Aggregate ab dem 15.10.2005 nur noch eine maximale elektrische Nennleistung von 0,650 MW und eine Gesamtnennleistung in Höhe von 1,950 MW (Schreiben der Fa. Deutz vom 29.03.2007, Blatt 59 der Gerichtsakte). Der durch die Katalysatoren erhöhte Abgasgegendruck verlangte einen dauerhaften Eingriff in die Motorsteuerung, der eine Leistungsreduzierung bewirkte. Ab dem vorgenannten Zeitpunkt erzeugte die Klägerin im Streitjahr 2005 noch 3.185,664 MWh Strom.
Abweichend von den Stromsteueranmeldungen der Klägerin setzte das HZA mit Bescheiden vom 25.07.2006 (2004) und vom 28.07.2006 (2005) die Stromsteuer für beide Kalenderjahre mit dem Regelsteuersatz wie folgt fest:
Jahr |
Strommenge in MWh |
Steuersatz in EUR/MWh |
Betrag in EUR |
2004 |
13.270,805 |
20,50 |
272.051,50 |
2005 |
12.577,687 |
20,50 |
257.842,58 |
Zur Begründung führte es aus, die elektrische Nennleistung der drei KWK-Module seien zu addieren, weil sie in einem Raum montiert seien und eine einheitliche Funktion – Stromerzeugung für das örtliche Verteilnetz der Stadt A-Stadt – erfüllten. Infolgedessen überschreite die Gesamtnennleistung mit 2,31 MW (3 × 0,77 MW) die für die Steuerbefreiung nach § 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG geltende Grenze von 2 MW.
In ihren hiergegen gerichteten Einspruch brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, die drei KWK-Module seien drei selbständige A...