Aufgrund des Soll-Prinzips müssen Unternehmer Umsatzsteuer auch dann an das Finanzamt abführen, wenn ihre Rechnungen vom Leistungsempfänger noch gar nicht beglichen wurden. Wird das Entgelt schließlich uneinbringlich i. S. d. Umsatzsteuerrechts, kann bzw. muss eine Berichtigung der Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 UStG (Erstattung der Umsatzsteuer durch Anmeldung eines Negativumsatzes) erfolgen. In sehr vielen Fällen erfolgt die Umsatzsteuerkorrektur mit Bekanntwerden der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Leistungsempfänger. Der Augenblick der Insolvenzeröffnung ist allerdings nur der spätestmögliche Zeitpunkt für eine solche Korrektur.[1]

 
Praxis-Beispiel

Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Unternehmer U hat gegenüber seinem Kunden K ausstehende Forderungen aus umsatzsteuerpflichtigen Leistungen i. H. v. 100.000 EUR zzgl. 19.000 EUR Umsatzsteuer. Die Leistungen wurden im April 2020 ausgeführt und berechnet. Trotz mehrfacher Telefonate und Mahnschreiben blieb die "Beitreibung" erfolglos. Nachdem U im Mai2021 Kenntnis davon erhält, dass das Insolvenzverfahren bei K Anfang Mai 2021 eröffnet worden ist, behandelt er die Forderungen in der Voranmeldung für Mai 2021 als uneinbringlich und lässt sich die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückerstatten.

Hier besteht die Gefahr, dass das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung (z. B. für die Jahre 2021–2023) die Auffassung vertritt, der zutreffende Zeitpunkt für die Umsatzsteuerberichtigung sei bereits das Jahr 2020 gewesen. Schließlich ist der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung laut den vorliegenden Verwaltungsanweisungen lediglich der späteste Zeitpunkt für die Durchführung der Umsatzsteuerkorrektur – die Pflicht zur Berichtigung besteht vielmehr allgemein bei vorliegender Uneinbringlichkeit. Und diese kann bereits anzunehmen sein, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.[2] So hat das Sächsische FG bereits bestätigt, dass die Uneinbringlichkeit bei Zahlungsunfähigkeit des Leistungsempfängers auch schon vor dessen Insolvenz anzunehmen sein kann.[3]

Dies kann dazu führen, dass bei eingetretener formeller und materieller Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres 2020 eine Korrektur für dieses Jahr nicht mehr in Betracht kommt und die bereits vorgenommene Berichtigung für das Jahr 2021 im Rahmen der Betriebsprüfung rückgängig gemacht wird. Der Unternehmer bleibt dann womöglich endgültig mit der (nicht erhaltenen) Umsatzsteuer belastet.

Bei Kundeninsolvenzen sollte regelmäßig geprüft werden, ob die Uneinbringlichkeit der Forderung gegenüber dem Finanzamt frühzeitig geltend gemacht worden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn in einem Kalenderjahr bereits mehrfach gemahnt wurde, die Forderungen aber erst im Folgejahr aufgrund der bekanntgewordenen Insolvenz für Umsatzsteuerzwecke wertberichtigt wurden. Es bietet sich in diesen Fällen an, berichtigte Voranmeldungen beim Finanzamt einzureichen, in denen die Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG geltend gemacht und mit Mahnschreiben etc. untermauert wird.

Für das Beispiel bedeutet dies: Die Voranmeldung für Mai2021 sollte umgehend dahingehend berichtigt werden, dass in der Anmeldung auf die Entgeltskorrektur verzichtet wird. Im Gegenzug ist die Voranmeldung für den Monat des 2. oder 3. Mahnschreibens (z. B. September2020) so zu berichtigen, dass die Umsätze an K als uneinbringlich behandelt werden. Die Vorgehensweise ist der Finanzverwaltung gesondert anzuzeigen, sodass ggf. frühzeitig Einigung über den zutreffenden Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit erzielt werden kann. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass für den Unternehmer nach der Rechtsprechung kein Wahlrecht, sondern eine Verpflichtung zur Vornahme einer Umsatzsteuerberichtigung besteht.[4]

Allgemein ist zu beachten, dass Uneinbringlichkeit nach einem Erlass der Finanzverwaltung auch bzw. bereits vorliegen kann, wenn das Zahlungsziel um das 2- bis 3-fache der Zahlungsfrist, mindestens aber um 6 Monate überschritten wurde.[5] Außerdem ist die Verwaltungsauffassung zur "Uneinbringlichkeit aus Rechtsgründen" bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unbedingt zu beachten.[6]

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