Dipl.-Betriebsw. (FH) Manuela Spreitzer
Rz. 55
Voraussetzung für die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1, 2 EStG ist, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Davon abweichend lässt § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG eine Buchwertfortführung nur zu, wenn die Übertragung unentgeltlich erfolgt, da bei der Übertragung zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen keine Gesellschaftsrechte gewährt oder gemindert werden können. Ob eine Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten vorgenommen wird, richtet sich nach den folgenden Grundsätzen:
4.4.1 Unentgeltlichkeit
Rz. 56
Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn die Übertragung des einzelnen Wirtschaftsguts ohne Gegenleistung (auch nicht in Form von Gesellschaftsrechten) erfolgt (= verdeckte Einlage). Eine Gegenleistung kann sowohl in der Hingabe von Aktiva als auch in der Übernahme von Passiva (insbesondere Verbindlichkeiten) bestehen. Wirtschaftlich betrachtet stellt die Übernahme von Verbindlichkeiten ein (sonstiges) Entgelt dar. Wird eine solche Gegenleistung teilweise gewährt, so erfolgt die Übertragung des Einzelwirtschaftsguts nicht vollumfänglich unentgeltlich. Ob eine teilentgeltliche Übertragung vorliegt, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung nach den Grundsätzen der sog. "Trennungstheorie" anhand der erbrachten Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts zu prüfen.
Rz. 57
Die Bewertung teilentgeltlich erworbener Einzelwirtschaftsgüter des Betriebsvermögens ist streitig. Die dazu bisher herrschende Literaturmeinung und Auffassung der Finanzverwaltung vertritt die Ansicht der sog. "reinen" oder "strengen" Trennungstheorie. Danach wird der Übertragungsvorgang in ein voll unentgeltliches und ein voll entgeltliches Geschäft aufgeteilt. Im Umfang der Entgeltlichkeitsquote (Verhältnis zwischen Teilentgelt und Verkehrswert des Wirtschaftsguts) kommt es zur Realisierung vorhandener stiller Reserven. Die damit teilweise eintretende Gewinnrealisierung kann nicht durch eine Ergänzungsbilanz neutralisiert werden.
Anderer Auffassung ist hingegen der IV. Senats des BFH. In seiner jüngeren Rechtsprechung vertritt dieser zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Übertragenden die sog. "modifizierte" Trennungstheorie (mit einseitiger Zuordnung des Buchwerts). Danach ist die Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts des Betriebsvermögens, bei der das Entgelt unter dem Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts liegt, zunächst in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Übertragungsvorgang aufzuteilen. Sofern das Entgelt anschließend hinter dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts zurückbleibt, erfolgt die Übertragung unentgeltlich; entspricht das Entgelt dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts, gilt die Übertragung als entgeltlich durchgeführt. Die Finanzverwaltung hat die Rechtssprechung des BFH zur sog. "modifizierten" Trennungstheorie mit einem Nichtanwendungserlass belegt.
Dem großen Senat des BFH wurde die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, wie im Fall einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Einzelbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übertragungsvorgang zu ermitteln ist.
Rz. 58
Im Fall einer unentgeltlichen Übertragung ist der unentgeltliche Teil nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zum Buchwert zu übertragen. Hinsichtlich des entgeltlichen Teils der Übertragung liegt eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor und es kommt insoweit zu einer Aufdeckung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts und folglich einer Gewinnrealisierung beim Übertragenden.
Rz. 59
Y und Z sind zu jeweils 50 % an der YZ-OHG beteiligt. In seinem Einzelunternehmen hat Y einen Transporter mit einem Buchwert von 10.000 EUR. Der Verkehrswert des Transporters beträgt 50.000 EUR. Außerdem hat Y aus dem Kauf des Transporters noch eine Verbindlichkeit bei der Bank i. H. v. 30.000 EUR. Y überträgt den Transporter nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen der YZ-OHG. Dabei übernimmt die YZ-OHG auch das Darlehen.
Lösung:
Es liegt eine teilentgeltliche Übertragung (unter Anwendung der strengen Trennungstheorie) des Transporters vor. Die Übernahme des Darlehens ist als Entgelt zu beurteilen. Der entgeltliche Anteil liegt durch die Übernahme der Verbindlichkeit bei 60 % (30.000 EUR von 50.000 EUR), der unentgeltliche Anteil bei 40 %. Im Einzelunternehmen des Y entsteht ein Gewinn, da durch die teilentgeltliche Übertragung stille Reserven i. H. v. 24.000 EUR (30.000 EUR abzgl. 60 % des Buchwerts = 6.000 EUR) aufgedeckt werden. Die YZ-OHG muss den Transporter mit 34.000 EUR (30.000 EUR zzgl. 40 % des Buchwerts = 4.000 EUR) auf der Aktivseite und die Verbindlichkeit mit 30.000 EUR auf der Passivseite im Gesamthandsvermögen bilanzieren.