Leitsatz
1. Wurde im Jahr 1998 eine Holdinggesellschaft auf ihre bisherige einzige Tochtergesellschaft verschmolzen, so ist ein bei ihr bestehender verbleibender Verlustabzug nicht auf die Tochtergesellschaft übergegangen.
2. Die Feststellung eines im Rahmen einer Verschmelzung auf die Übernehmerin übergegangenen vortragsfähigen Gewerbeverlusts muss inhaltlich an die Verlustfeststellung für die übertragende Gesellschaft anknüpfen (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25.03.1998, BStBl I 1998, 268).
Normenkette
§ 12 Abs. 3 UmwStG 1995
Sachverhalt
Die Anteile an der Klägerin, einer Produktions-GmbH, wurden bis 1997 (Streitjahr) von der B-GmbH gehalten. Die B-GmbH war eine Holdinggesellschaft, deren Zweck das Halten der Beteiligung an der Klägerin war. Ihr alleiniger Gesellschafter war zunächst B. Ende 1997 wurde die B-GmbH mit Wirkung zum 30.09.1997 auf die Klägerin verschmolzen; die Verschmelzung wurde am 12.05.1998 im Handelsregister eingetragen.
Das FA berücksichtigte die von der Klägerin erklärten Verluste, die auf dem Übergang von Verlustabzugsbeträgen der B-GmbH beruhten, nicht. Die deshalb erhobene Klage hat das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 10.12.2008, 12 K 7465/01 (Haufe-Index 2115289, EFG 2009, 619) abgewiesen.
Entscheidung
Auch vor dem BFH blieb die Klägerin erfolglos:
Faktisch sei es ausgeschlossen, den Betrieb der übergehenden Holdinggesellschaft fortzuführen, wenn diese auf die (einzige) bislang "gehaltene" (produzierende) Tochtergesellschaft verschmolzen werde. Letztlich liege eine "Betriebskonfusion" vor. Von einer Betriebsfortführung könne keine Rede sein.
Hinweis
1. Das jetzige (und abermalige) Urteil zu § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995 wurde bereits in BFH/PR 2009, 31 (zum Urteil vom 25.08.2009, I R 95/08, BFH/NV 2009, 2088) angekündigt. Es betrifft den Übergang von Verlusten der übergehenden Gesellschaft auf die empfangende Gesellschaft im Fall einer sog. Down-stream-Verschmelzung. Im Einzelnen ist das Rechtsgeschichte: § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995 und damit der verschmelzungsbedingte Verlustabzug wurden durch das SEStEG im Zug der Europäisierung des Umwandlungsrechts per 01.01.2008 ersatzlos abgeschafft.
2. Nach jener früheren Rechtslage trat die übernehmende Körperschaft bezüglich eines verbleibenden Verlustabzugs i.S.d. § 10d Abs. 3 S. 2 EStG in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft unter der Voraussetzung ein, dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden 5 Jahren fortgeführt wird.
3. Der BFH hatte dazu im Urteil vom 27.05.2009, I R 94/08 (BFH/NV 2009, 1570, BFH/PR 2009, 354) klargestellt, ein verbleibender Verlustvortrag hiernach auch dann auf die übernehmende Körperschaft übergeht, wenn nicht diese, sondern ein anderes Unternehmen – etwa nach einem Anteilsverkauf – den Verlustbetrieb fortführt. Ein dem entgegenstehender personalistischer Vorbehalt lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
4. Im Besprechungsurteil ging es nun darum, ob Gleiches auch dann anzunehmen ist, wenn eine (bisherige) Holdinggesellschaft downstream auf ihre bisherige einzige Tochtergesellschaft "abwärts" verschmolzen wird und wenn Letztere die Holdingtätigkeit sozusagen "an sich selbst" infolge Konfusion fortführt.
Der BFH hat das verneint: Vermögensverwaltende Holdingtätigkeit und produzierende Eigentätigkeit sind etwas völlig Verschiedenes. Ein Halten der Beteiligung „an sich selbst” ist schlechterdings ausgeschlossen. Auch das „Ablösen” der bisherigen Gesellschafterstellung bedingt nichts anderes. Denn dadurch geht nicht der Betrieb über und wird fortgeführt, sondern allenfalls die korporationsrechtliche Stellung. Der Umstand, dass die Steuerverstrickung der stillen Reserven nach wie vor erhalten bleibt, entbindet nicht davon, den tatbestandlichen Voraussetzungen der Betriebsfortführung zu genügen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.10.2009 – I R 4/09