Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Die entgeltliche Überlassung möblierter Zimmer an Prostituierte ist keine umsatzsteuerfreie Vermietung, wenn zusätzliche Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben als einer Vermietung.
Normenkette
§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG, Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin vermietete in X und in Y einfach möblierte Zimmer an die dort tätigen Prostituierten. Die Zimmer wurden einzeln ausschließlich an jeweils eine Prostituierte vermietet; sie wurden nicht durch mehrere Prostituierte genutzt. Die Prostituierten hatten dort ihre persönlichen Sachen und zum Teil eigene kleinere Möbel untergebracht. Die Zimmer waren mit einem Alarmknopf und einer Gegensprechanlage ausgestattet. Zur Straßenseite verfügten die Häuser über mit einem Schaufenster versehene sog. "Kober", die von allen Prostituierten genutzt wurden, um mit potenziellen Freiern Kontakt aufzunehmen sowie Leistungen und Preise auszuhandeln.
Die Überlassungsverträge wurden mündlich und unbefristet abgeschlossen, die Miete betrug – jeweils je Tag – in X 70 DM und in Y 40 DM. Für den Fall, dass eine Gebrauchsüberlassung an die Prostituierte aufgrund Erkrankung nicht erfolgen konnte, minderte sich die Miete; bei längerer Abwesenheit der Prostituierten wurde die Mietzinsverpflichtung ausgesetzt bis auf einen Mindestanspruch der Klägerin von 360 DM monatlich.
Die Klägerin behandelte die gegenüber den Prostituierten ausgeführten Umsätze als steuerfrei. Dem folgte das FA nicht.
Das FG wies die Klage ab. Es entschied, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG seien im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin habe keine Vermietungsleistung i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG erbracht (Niedersächsisches FG, Urteil vom 2.12.2010, 5 K 387/07, Haufe-Index 2740114).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil.
Steuerfreie Vermietungsleistungen liegen nicht vor, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks oder Grundstücksteils zum Gebrauch von anderen wesentlicheren Leistungen überdeckt wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Unterkünfte an Prostituierte vermietet werden und nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, die Prostitution auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht.
So lag es nach der tatsächlichen Würdigung des FG im Streitfall. Die von der Klägerin neben der Überlassung der Räume erbrachten Leistungen gaben der Gesamtleistung ein anderes Gepräge als ein reines Mietverhältnis.
Diese Würdigung der Vorinstanz war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Hinweis
Von der US befreit ist nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG u.a. die Vermietung von Grundstücken. Die Steuerfreiheit erstreckt sich auch auf die Vermietung einzelner Räume.
Das grundlegende Merkmal des Begriffs der "Vermietung von Grundstücken" besteht darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, der jede andere Person von diesem Recht ausschließen kann.
Allerdings können mehrere Leistungen auch derart untrennbar miteinander verbunden sein, dass sie eine einheitliche (komplexe) Leistung bilden, die nicht als Vermietung von Grundstücken umsatzsteuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.12.2014 – XI R 16/11