Leitsatz
Ist Gegenstand des Erwerbs ein mit Altlasten kontaminiertes Grundstück und verpflichtet sich der Erwerber im Grundstückskaufvertrag zu dessen Sanierung, gehören die entstandenen Kosten nicht zur Gegenleistung, wenn bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch keine Sanierungsverfügung an den Veräußerer ergangen war.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb ein mit Altlasten kontaminiertes Grundstück, um darauf Wohnungen zu errichten. Beim Kaufpreis waren die Altlasten wertmindernd berücksichtigt. Zum Ausschluss jeglicher Haftung der Verkäuferin verpflichtete sich die Klägerin, die Sanierung vorzunehmen und die Vornahme nachzuweisen.
Die zuständige Behörde hatte bereits von der Verkäuferin bestimmte Sofortmaßnahmen (Umzäunung, Folienabdeckung) und Untersuchungsmaßnahmen (Bodenproben, Messstellen) gefordert und für den Fall einer künftigen Wohnnutzung die Notwendigkeit weiterer Sanierungsmaßnahmen angekündigt. Die geforderten Sofort- und Untersuchungsmaßnahmen hatte noch die Verkäuferin durchgeführt.
Die für die Wohnbebauung erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ließ die Klägerin ausführen. Die ihr dabei entstandenen Kosten rechnete das FA zur Gegenleistung. Dies billigte das FG (FG Münster vom 17.08.2006, 8 K 2650/03 GrE, Haufe-Index 1675819, EFG 2007, 283) mit der Begründung, wegen der geplanten Wohnbebauung sei das Grundstück in saniertem Zustand Erwerbsgegenstand.
Entscheidung
Der BFH widersprach dem. Die Finanzierung der vom Abschluss des Kaufvertrags her gesehen noch künftigen Sanierung des Grundstücks sei auch keine sonstige Leistung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Daran ändere die vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Sanierung nichts. Denn mit dieser Verpflichtung habe sie nur eine sie ohnehin treffende Verpflichtung übernommen. Die Sanierung komme nicht der Verkäuferin, sondern der Klägerin zugute. Sie stelle keine fremdnützige, sondern eine eigennützige Leistung der Klägerin dar.
Hinweis
1. Sollen bezüglich des zu verkaufenden Grundstücks Sanierungsmaßnahmen – sei es an dem aufstehenden Gebäude oder an dem Grund und Boden – durchgeführt werden, stellt sich immer die Frage, ob das Grundstück in saniertem oder unsaniertem Zustand Erwerbsgegenstand sein soll. Für die Vertragsparteien stellt sie sich im Vorhinein im Zug der Ausgestaltung des Kaufvertrags; für das FA und ggf. das Gericht stellt sie sich hinterher bei der Auslegung des bereits bestehenden Vertrags, wobei auch die tatsächlichen und rechtlichen Verbindungen zum Sanierungsunternehmen zu beleuchten sind. Insoweit gelten dieselben Grundsätze, wie sie für die häufiger auftretende Frage, ob ein noch unbebautes Grundstück in diesem Zustand oder in einem noch zu schaffenden bebauten Zustand Erwerbsgegenstand ist, entwickelt worden sind. Dies schließt die Grundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand ein.
2. Der Streitfall war dadurch gekennzeichnet, dass der Kaufpreis wegen der Altlasten im Grundstück gemindert war, dass die Käuferin sich verpflichtet hatte, die für die beabsichtigte Wohnbebauung noch erforderlichen Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen, und dass die Verkäuferin jeglicher Haftung im Zusammenhang mit den Altlasten vorgebeugt hatte. Da auch keinerlei sachliche oder rechtliche Verknüpfung zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen der Käuferin mit den Sanierungsunternehmen bestand, schied die Annahme, Erwerbsgegenstand sei das Grundstück in saniertem Zustand, schlechterdings aus.
3. Unter dem Aspekt einer möglichen sonstigen Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG war sodann zu prüfen, ob die Verkäuferin von einer etwaigen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Grundstückssanierung befreit worden ist. Grundsätzlich gilt, dass die vertragliche Übernahme einer latenten, aber künftig erst in der Person des Käufers sich realisierenden Verpflichtung keine Gegenleistung darstellt. Folglich war im Streitfall zu entscheiden, wann die Verpflichtung, die Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, entstanden ist.
4. Hierbei ist darauf abzustellen, wann und wem gegenüber die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen angeordnet worden ist. Ist dies erst nach Abschluss des Kaufvertrags gegenüber dem Käufer geschehen, kann in der Übernahme der Sanierungspflicht keine Gegenleistung liegen. Der Verkäufer ist von keiner Verbindlichkeit befreit worden, und zwar auch dann nicht, wenn er nach den Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes bei Fortbestand seines Eigentums am Grundstück mit einer Inanspruchnahme für die Sanierung hätte rechnen müssen. Die sich nach dem Bodenschutzrecht ergebende materielle Sanierungsverantwortung muss sich in einer formellen Sanierungsverfügung konkretisiert haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.03.2009 – II R 62/06