4.1.2.1 Steuerlatenzen, sonstige Aktivierungsverbote

 

Rz. 6

Für aktive Steuerlatenzen nach § 274 Abs. 1 HGB ist zu berücksichtigen, dass sie schwerpunktmäßig dann entstehen, wenn eine Differenz zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen der Vermögensgegenstände und Schulden und deren steuerlichen Wertansätzen besteht und sich diese Differenz in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich umkehrt und in Folge zu einer Steuerentlastung führt.

Sollen latente Steuern auf Verlustvorträge aktiviert werden, so ist für die Gesamtbeurteilung zu beachten, dass steuerliche Verlustvorträge nur in Höhe der innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwartenden Verlustverrechnung berücksichtigt werden dürfen. Mit anderen Worten: Es besteht bei der Berechnung von aktiven latenten Steuern eine Berücksichtigungspflicht des Vorteils aus steuerlichen Verlustvorträgen, wenn der Ausgleich mit Gewinnen in den nächsten fünf Jahren überwiegend wahrscheinlich ist. Es stellt sich die Frage, ob etwaig aus der Handelsbilanz für Zwecke der Aufstellung eines Überschuldungsstatus übernommene aktive Steuerlatenzen zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehen und ihnen eine selbstständige Verkehrsfähigkeit zukommt. Die Berücksichtigung aktivierter latenter Steuern im Überschuldungsstatus sollte nicht von vornherein abgelehnt werden. Allerdings steht die Wahrscheinlichkeit der Nutzung der Steuervorteile in Anbetracht der bevorstehenden Liqudation durchaus in Frage (v. a. im Zusammenhang mit steuerlichen Verlustvorträgen), so dass dann eine Wertberichtigung der aktiven latenten Steuern in Betracht zu ziehen ist.[1]

Gem. § 248 Abs. 1 HGB unterliegen folgende Sachverhalte einem Aktivierungsverbot:

  • Aufwendungen für die Gründung eines Unternehmens,
  • Aufwendungen für die Beschaffung des Eigenkapitals,
  • Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen.

Auch die Aktivierung im Rahmen der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz ist nicht zulässig. Nach Auffassung von Mock sind Kosten für die laufende Neu- und Weiterentwicklung von Produkten und Produktionsverfahren ebenfalls unzulässig.[2] Für die Aufstellung der Handelsbilanz findet durch § 255 HGB eine Differenzierung nach Forschungs- und Entwicklungskosten im Rahmen der Bemessung von Herstellungskosten statt. Durch eine Konkretisierung in § 255 Abs. 2a HGB wird deutlich, dass speziell Entwicklungskosten aktivierungsfähig sind, wohingegen Forschungsaufwendungen weiterhin nicht aktiviert werden dürfen.[3] Nach der hier vertretenen Auffassung könnte eine solche Differenzierung in Forschungs- und Entwicklungskosten auch im Rahmen der Aufnahme bzw. Berücksichtigung innerhalb der Überschuldungsbilanz Berücksichtigung finden. Zumindest ist ein generelles Ansatzverbot für Kosten der Produktentwicklung bzw. für die Entwicklung von Produktionsverfahren für die Überschuldungsbilanz abzulehnen. M.E. kann sogar in Sonderfällen auch der Ansatz von Forschungskosten möglich sein. Für die Statusrechnung ist immer entscheidend, ob ein Käufer den infrage stehenden Positionen nachweislich über den eigentlichen Substanzwert des Unternehmens hinaus einen eigenen Wert beimisst. Dies ist für angefallenen Entwicklungsaufwand durchaus in Einzelfällen vorstellbar.[4]

[1] IDW S 11, Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen, Rz. 82.
[2] Mock, in Uhlenbruck, InsO, 2019, § 19 Rz. 126 ff.

4.1.2.2 Geschäfts- oder Firmenwert

 

Rz. 7

Eine Geschäfts- oder Firmenwert kann als Quelle aller Gewinnchancen eines Unternehmens angesehen werden und sich aus folgenden Komponenten ergeben:

  • guter Ruf,
  • Zuverlässigkeit des Unternehmens,
  • Qualifikation des Managements und der Mitarbeiter,
  • hohe Qualität der Produkte etc.

Zu unterscheiden ist dabei handelsrechtlich zwischen einem originären und einem derivativen Geschäfts- oder Firmenwert, wobei Ersterer aktivierungsverboten und Letzterer aktivierungspflichtig ist.[1]

Die Aktivierung des Geschäfts- oder Firmenwerts ist aufgrund seiner mangelnden Verwertbarkeit im Liquidationsfall in der Überschuldungsbilanz grundsätzlich ausgeschlossen.

Für die Aufnahme in eine Überschuldungsbilanz ist die Differenzierung zwischen originärer bzw. derivativer Entstehung von weitaus untergeordneter Bedeutung. "Für die Firma der Gesellschaft darf in der Überschuldungsbilanz ein Wert angesetzt werden, wenn davon ausgegangen werden kann, das im eröffneten Insolvenzverfahren wenigstens ein Teil des Geschäftsbetriebs zusammen mit der Firma veräußert und ein Entgelt dafür gezahlt würde. Das ist nicht nur der Fall, wenn bereits Verträge abgeschlossen sind. Vielmehr genügt es, dass der Markt nach sachverständigem Urteil bereit ist, beim Verkauf des Unternehmens einen Firmenwert in der angegebenen Höhe zu bezahlen."[2] Von entscheidender Bedeutung für die Aktivierung bzw. Nicht-Aktivierung ist daher die Frage, ob der Ansatz eines Geschäfts- oder Firmenwerts zur zusätzlichen Deckung der vorhandenen Statusverbindlichkeiten führt oder nicht. Mit anderen Worten: Ist ein potenzieller Käufer des Unte...

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