4.1.3.1 Verbindlichkeiten und sonstige Rückstellungen

 

Rz. 15

Nach § 253 Abs. 1 HGB sind Rückstellungen mit ihrem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag zu passivieren, soweit mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist.[1] Im Überschuldungsstatus tritt jedoch an die Stelle des vorsichtigen Schätzwerts nach HGB der erwartete Wert, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in einer wirtschaftlich kritischen Situation des Unternehmens Schulden möglicherweise vorzeitig fällig gestellt werden; was sich insb. bei der Abzinsung der Rückstellungen auswirken kann. Darüber hinaus sind zusätzliche, durch die Abkehr von der Unternehmensfortführung ausgelöste Verpflichtungen (z. B. aus Sozialplänen, für Vertragsstrafen oder aus gesetzlichen oder behördlichen Auflagen) ebenfalls zu passivieren. Ansammlungsrückstellungen sind mit dem vollen Wert der bestehenden rechtlichen Verpflichtung anzusetzen.[2]

Nach ständiger Resprechung des BGH sind in einem Überschuldungsstatus auf der Aktivseite alle verwertbaren Vermögenswerte denjenigen Verbindlichkeiten auf der Passivseite gegenüberzustellen, die Insolvenzforderungen nach § 38 InsO begründen können.[3]

[2] IDW S 11, Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen, Rz. 84; so auch Mock, in Uhlenbruck, InsO, 2019, § 19 Rz. 162 f., der allerdings einen Ausweis unter den Verbindlichkeiten einfordert.

4.1.3.2 Pensionsrückstellungen

 

Rz. 16

Auf der Passivseite der Bilanz und auch auf der Passivseite eines Überschuldungsstatus nehmen Pensionszusagen häufig eine bedeutende Rolle ein.[1]

Grundsätzlich sind Verbindlichkeiten aus laufenden Pensionen zu passivieren.[2]

Im Rahmen der Überschuldungsbilanz sind auch mittelbare Pensionsverpflichtungen und Altzusagen gemäß Art. 28 EGHGB zu passivieren, das Passivierungswahlrecht kommt nicht zur Geltung.[3]

[2] Haas, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 64 GmbHG Rz. 53, wobei auf die Kürzungsmöglichkeit aufgrund der Krise hingewiesen wird, vgl. Pape, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 19 InsO, Rz. 68, Stand: 08.2021.
[3] IDW S 11, Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen, Rz. 85.

4.1.3.3 Gesellschafterdarlehen

 

Rz. 17

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, nicht bei den Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen.

Gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO setzt die Nichterfassung im Überschuldungsstatus voraus, dass der Gesellschafter einen ausdrücklichen Rangrücktritt hinter die nachrangigen Verbindlichkeiten des § 39 Abs. 1 InsO vereinbart hat. Somit ist in Fällen, in denen eine Überschuldungsbilanz aufgrund einer negativen Fortführungsprognose aufzustellen ist, die (qualifizierte) Rangrücktrittserklärung geeignet, die Überschuldungssituation und folglich den Eintritt der Insolvenzantragspflicht ggf. zu vermeiden.[1]

[1] Zu den Voraussetzungen eines qualifizierten Rangrücktritts vgl. Mock, in Uhlenbruck, InsO, 2019, § 19 Rz. 238 ff.

4.1.3.4 Exkurs: Rückstellung für Inanspruchnahme aus Vollhafterstellung

 

Rz. 18

Der Insolvenzeröffnungsgrund Überschuldung ist gem. § 19 Abs. 1 InsO für eine Kommanditgesellschaft nicht relevant, da es sich um eine Personengesellschaft handelt. Die Gesellschafter der Personengesellschaft sind somit nur zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet, wenn eine Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 Abs. 2 InsO vorliegt (§ 15a InsO). Abweichendes gilt dann, wenn keine natürliche Person als Vollhafter Gesellschafter ist. Eine derartige Konstellation kann sich beispielweise bei der GmbH & Co. KG ergeben. Insoweit gilt auch hier dann eine Überschuldung als Insolvenzantragsgrund gem. § 19 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 15a InsO.

Für die Komplementär-GmbH sind die §§ 17 und 19 InsO für eine Insolvenzantragspflicht relevant. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass die Verluste der KG nur dann der Komplementär-GmbH zugewiesen werden, wenn diese am Kapital der KG beteiligt ist. Anderenfalls darf keine Verlustzurechnung erfolgen. Im Hinblick auf die Stellung der Komplementär-GmbH als Vollhafter kommt eine Verlustberücksichtigung dann in Betracht, wenn eine Inanspruchnahme aus der Vollhafterstellung mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.

Dies ist dann der Fall, wenn ein nicht durch Vermögenseinlagen der Kommanditisten gedeckter Fehlbetrag vorliegt und keine ausreichenden stillen Reserven in der Kommanditgesellschaft vorhanden sind, um diesen Fehlbetrag auszugleichen, mithin die Kommanditgesellschaft rechnerisch überschuldet ist. Für eine rechtliche Überschuldung muss ergänzend eine negative Fortbestehensprognose hinzutreten. Die Komplementär-GmbH hat bei einer solchen Konstellation eine Rückstellung für drohende Inanspruchnah...

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