4.2.3.1 Aussagekräftiges Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan)

 

Rz. 24

Basis der Fortbestehensprognose bildet ein Finanz- und Liquiditätsplan, "der über die Ergebnis- und Bilanzplanung die finanziellen Auswirkungen des Unternehmens- bzw. Sanierungskonzepts (Sollverlauf des Unternehmens) in einer systematischen Gegenüberstellung geplanter Einzahlungen und Auszahlungen (Zahlungsströme) abbildet."[1]

In der Theorie der betrieblichen Planung kann die Finanzplanung als Bestandteil der allgemeinen Unternehmensplanung aus den Teilplänen (z. B. Absatzplan, Produktionsplan, Beschaffungsplan, Finanzierungs- und Investitionsplan, Personalplan etc.) abgeleitet werden.[2] Aus § 19 Abs. 2 InsO ergibt sich, dass der Fortbestand des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Dies impliziert selbstverständlich die Unsicherheit jeder Planung. IDW S 11 formuliert dies in Rz. 63 folgendermaßen: "Jeder Planung ist immanent, dass die zugrunde gelegten Annahmen aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände nicht eintreten oder anders ausfallen können. Mit zunehmender zeitlicher Entfernung der prognostizierten Ereignisse oder Annahmen vom Beurteilungsstichtag steigt der Grad der Unsicherheit und sinkt der Detaillierungsgrad der Annahmen. Naturgemäß ist deshalb auch die insolvenzrechtliche Fort­bestehensprognose – in besonderem Maße für das folgende Geschäftsjahr – mit Unsicherheit behaftet. Der Gesetzgeber hat diese Unsicherheit bei der Definition der Insolvenzeröffnungsgründe gesehen und in Kauf genommen. Bei der positiven insolvenzrechtlichen Fortbe­stehensprognose kommt es deshalb darauf an, dass die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit innerhalb des Prognosezeitraums mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründbar ist."[3]

[1] Mock, in Uhlenbruck, InsO, 2019, § 19 Rz. 219 unter Bezugnahme auf BGH, II ZR 303/05, vgl. auch Pape, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 19 InsO, Rz. 43, Stand: 08.2021.
[2] Möhlmann/Bartels, BBK 1998, S. 910.
[3] Vgl. auch Richter, in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 2015, § 79 Rz. 27.

4.2.3.2 Finanzplan

 

Rz. 25

Finanzplanung als Liquiditätsplanung

Aufgrund der erfolgs- und güterwirtschaftlichen Orientierung der Rechnungslegung ergeben sich dann für die Ableitung einer Finanzplanung zwangsläufig Transformationserfordernisse im Hinblick auf die Zahlungswirksamkeit der einzelnen Sachverhalte. Die Überführung der erfolgswirtschaftlichen Plandaten in finanzwirtschaftliche Daten erfordert also nicht nur eine Transformation, sondern gleichzeitig auch eine weitere Prognose bei der Ableitung der sich daraus ergebenden Zahlungsströme.

Die Ableitung einer Finanzrechnung aus erfolgswirtschaftlichen Teilplänen ist unter dem Gesichtspunkt der Nachvollziehbarkeit für externe Betrachter äußerst problematisch. Die systematische Anbindung an bestehende Rechnungswesen-Komponenten wie GuV und Bilanz mit gesetzlicher Normierung bezüglich Inhalt und Gliederung fehlt, zudem existieren für die derivativ abgeleitete Kapitalflussrechnung bereits verbindliche Empfehlungen anerkannter Organisationen.[1] Da die künftigen Zahlungsströme bei der Finanzplanung unmittelbar aus den detaillierten Angaben der erfolgswirtschaftlichen Teilpläne gewonnen werden, bietet sich hier insbesondere die Möglichkeit "eine tief nach Zahlungsarten gegliederte, weitgehend betrags- und termingenaue Übersicht aufzubauen. (…) Die Erstellung ist jedoch sehr arbeitsaufwendig und stößt mit zunehmender Planungsreichweite bald auf das Problem, dass die Daten nicht mehr in der geforderten Genauigkeit zu beschaffen sind."[2]

In diesem Zusammenhang sind sämtliche liquiden Mittel den fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen.[3]

Die Ertragskraft bzw. der Umstand, ob die Unternehmung künftig Gewinne erzielen wird, spielt für die Feststellung der Fortbestehensprognose nach h. M. keine Rolle.[4]

Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen wird zur Liquiditätsmessung teilweise ein einfach strukturierter Finanzplan herangezogen, der auf der Überlegung beruht, dass die Liquidität eines Unternehmens dann formal gewahrt ist, wenn zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Anfangsbestand an liquiden Mitteln zuzüglich der Summe der bis zu diesem Zeitpunkt anfallenden Einzahlungen (zzgl. der Zunahme der Forderungen) größer ist als die Summe der bis zu diesem Zeitpunkt anfallenden Auszahlungen (zzgl. der Abnahme von Verbindlichkeiten), nicht genutzte Kredite (Kontokorrentkredite bzw. sonstige Kredite) finden in diesem Zusammenhang ebenfalls Berücksichtigung.[5] Ergibt sich am Ende der Planungsperiode, dass der resultierende Zahlungsmittelbestand zur Aufrechterhaltung der Zahlungsunfähigkeit zu niedrig ist, steht dies einer positiven Fortbestehensprognose entgegen.

Es handelt sich hierbei um eine reine Zahlungsfähigkeitsprognose.[6]

In den meisten Fällen wird eine Fortbestehensprognose in der Praxis als Liquiditätsstatusrechnung ausgestaltet sein und damit auch den Anforderungen des Insolvenzrechts genügen. Auch bei derart vereinfachter Darstellung besteht allerdings eine zeitversetzte Kongruenz zwischen Finanz- und Ertragsebene.

 

Rz. 26

(Finanz-)Kap...

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