OFD München, Verfügung v. 31.10.2000, S 0338 - 18 St 312
I. Allgemeines
Das Verfahren zur Anbringung von Vorläufigkeitsvermerken ist im BMF-Schreiben vom 10.4.1995 geregelt (vgl. BStBl 1995 I S. 264). In der täglichen Praxis werden häufig von den Steuerpflichtigen Fragen zu den derzeit bestehenden bzw. bereits erledigten Vorläufigkeitsvermerken gestellt. Aus diesem Grund erfolgt nachstehend eine Aufzählung der derzeit bestehenden bzw. bereits erledigten Vorläufigkeitsvermerke.
II. Vorläufigkeitsvermerke gem. dem BMF-Schreiben vom 23.3.2000 (BStBl 2000 I S. 438)
- Besteuerung von Versorgungsbezügen § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG) für Veranlagungszeiträume ab 1993
- Anwendung des § 32 c EStG für Veranlagungszeiträume ab 1994
Zu 1:
Die Nummer 1 umfaßt nicht die Konsequenzen, die sich aus dem BFH-Urteil vom 24.7.1996, X R 105/95, BStBl 1996 II S. 650 ergeben, so daß der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Besteuerung der Versorgungsbezüge nicht die Möglichkeit eröffnet, die bisher als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfaßten Zusatzrenten nachträglich als Leibrente im Sinne des § 22 EStG zu besteuern (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.1996, X R 20/95, BStBl 1997 II S. 791).
Zu 2:
Der BFH hat mit Beschluß vom 24.2.1999, X R 171/96 (BStBl 1999 II S. 450) dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Regelung des § 32 c EStG zur Tarifspreizung bei gewerblichen Einkünften verfassungsgemäß ist. Der Vorläufigkeitsvermerk wird in allen Einkommensteuerfestsetzungen ausgegeben (vgl. BMF-Schreiben vom 10.2.2000, BStBl 2000 I S. 309). Der Vorläufigkeitsvermerk ist auch in alle gesonderten § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO) und einheitlich und gesonderten Feststellungen von Einkünften (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a) unabhängig von der festgestellten Einkunftsart aufzunehmen (vgl. OFD München vom 21.8.2000, S 0338 – 7 St 312 bzw. OFD Nürnberg vom 17.8.2000, S 0338 – 65/St 24).
III. Wegfall der Vorläufigkeit zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998, (FinMin Bayern vom 30.12.1999, bekanntgegeben durch OFD München vom 9.2.2000, S 0338 – 19 St 312 bzw. OFD Nürnberg vom 25.2.2000, S 0338 – 70/St 24)
Durch FinMin Bayern vom 30.12.1999 wurde geregelt, daß der Vorläufigkeitsvermerk zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 nicht mehr auszugeben ist. Endgültigkeitserklärungen im Sinne des § 165 Abs. 2 Satz 2 AO werden bis auf Weiteres jedoch noch nicht ausgegeben, da die Umsetzung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf den Haushaltsfreibetrag noch nicht erfolgt ist. Bei Änderungsbescheiden zu Steuerfestsetzungen, die bereits mit dem Vorläufigkeitsvermerk zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts versehen waren, wird folgender Vermerk ausgegeben:
„Der Bescheid ist teilweise vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO aufgrund der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1996, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91 im Hinblick auf die Abziehbarkeit des Haushaltsfreibetrags. Soweit der Gesetzgeber aufgrund der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts eine Änderung dieser Regelung beschließt, werden diese Änderungen von Amts wegen berücksichtigt, ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.”
IV. Erledigte Verfahren
Solidaritätszuschlag für Veranlagungszeiträume 1991 und 1992
Die 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat am 12.6.1995 durch einstimmigen Beschluß gem. § 93 b i.V.m. § 33 a BVerfGG entschieden, daß die erhobene Verfassungsbeschwerde – 2 BvR 762/93 – nicht zur Entscheidung angenommen wird. Ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren § 363 Abs. 2 AO) wegen der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes kommt nicht mehr in Betracht.Art. 97 § 18 a EGAO (Erledigung von Massenrechtsbehelfsverfahren) ist nicht anwendbar, da der Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12.6.1995 keine Gesetzeskraft hat (vgl. BMF-Schreiben vom 7.9.1995, BStBl 1995 I S. 426).
(Weitere Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluß vom 19.11.1999, 2 BvR 1167/96)
Progressionsvorbehalt bei Lohnersatzleistungen
Die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat mit Beschluß vom 3.5.1995, 1 BvR 1176/98, BStBl 1995 II S. 758, die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zum Progressionsvorbehalt bei Lohnersatzleistungen § 32 b Abs. 1 Nr. 1 EStG) bestätigt.
Ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren kommt insoweit nicht mehr in Betracht.Art. 97 § 18 a EGAO ist nicht anwendbar (vgl. BMF-Schreiben vom 7.9.1995, BStBl 1995 I S. 426).
Grundfreibetrag
Durch § 32 c EStG in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes vom 13.9.1993 (BStBl 1993 I S. 774) wird das Existenzminimum für Veranlagungszeiträume ab 1993 steuerlich ausreichend berücksichtigt. Bis zum Veranlagungszeitraum 1995 ist nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25.9.1992 (BStBl 1993 II S. 413) die als verfassungswidrig erkannte Regelung weiter anzuwenden. Damit ist für alle Veranlagungszeiträume die Ungewißheit im Sinne des § 165 Abs. 2 A...