Leitsatz
Enthält der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des (gewerblichen) Gewinns keine Feststellung zur Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F., so entfaltet dieser Grundlagenbescheid insoweit keine Bindungswirkung für die ESt-Bescheide der Gesellschafter/Gemeinschafter. Hat die Finanzbehörde in diesem Fall im bestandskräftigen ESt-Bescheid gegenüber einem Gesellschafter/Gemeinschafter zu Unrecht die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. gewährt, so kann dieser Fehler nicht im Weg der Änderung nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 AO korrigiert werden.
Normenkette
§ 129, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 179 Abs. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 32c EStG 1994
Sachverhalt
Die Kläger, im Streitjahr 1994 zusammen zur ESt zu veranlagende Eheleute, und ihr Sohn S waren zu je 1/3 an der Grundstücksgemeinschaft G (Besitzunternehmen) beteiligt. Die G vermietete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung das Grundstück A-Str. an die W-GmbH (Betriebsgesellschaft), an welcher ebenfalls die Kläger und S zu je 1/3 beteiligt waren.
Im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns 1994 stellte das FA den Gewinn der G mit rd. 3,8 Mio. DM fest. Dieser Gewinn beruht zum weitaus überwiegenden Teil auf Gewinnausschüttungen der W-GmbH und nur zu einem geringen Teil auf Erträgen aus der Grundstücksvermietung. In diesem Bescheid wurde keine Feststellung zur Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. getroffen.
In dem an die Kläger gerichteten ESt-Bescheid 1994 vom 20.03.2000 ging das FA irrtümlich davon aus, dass die gesamten von den Klägern aus der Grundstücksgemeinschaft G erzielten gewerblichen Einkünfte der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. unterlägen. Nachdem das FA bemerkt hatte, dass die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. wegen des für die Gewinnausschüttungen der W-GmbH an die Grundstücksgemeinschaft eingreifenden gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs (vgl. § 9 Nr. 2a GewStG) nur für einen geringen Teil der gewerblichen Einkünfte der Kläger zu gewähren war, korrigierte es diesen Irrtum durch den Erlass des angefochtenen, auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten ESt-Änderungsbescheids 1994 vom 11.12.2000.
Das FG wies die Klage, mit der die Kläger die Aufhebung dieses Änderungsbescheids erstrebten, ab. Die Revision der Kläger hatte Erfolg und führte zur Klagestattgabe.
Entscheidung
Da der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der Grundstücksgemeinschaft G (= Grundlagenbescheid) keine Regelung zur Frage der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. traf, obwohl eine solche Regelung zum notwendigen Inhalt dieses Grundlagenbescheids gehörte, konnte das FA den ihm im bestandskräftigen ESt-Bescheid 1994 vom 20.03.2000 unterlaufenen Fehler nicht durch einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten ESt-Änderungsbescheid beseitigen. Da der angefochtene ESt-Änderungsbescheid auch nicht auf eine andere Korrekturvorschrift gestützt werden konnte, blieb es bei der fehlerhaft zu niedrigen ESt-Festsetzung im ESt-Bescheid vom 20.03.2000.
Hinweis
Zu den notwendigen Regelungen, die im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns einer Gesellschaft/Gemeinschaft zu treffen waren, gehörte auch die Feststellung, in welchem Umfang die gemeinschaftlich erzielten gewerblichen Einkünfte der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. unterlagen (vgl. BFH, Urteil vom 06.12.2005, VIII R 99/02, BFH/NV 2006, 1041). In dem im Streitfall zu beurteilenden Gewinnfeststellungsbescheid fehlte eine solche Regelung zu § 32c EStG a.F. Dieser Bescheid war also insoweit lückenhaft und ergänzungsbedürftig. Allerdings konnte das Feststellungs-FA einen dahingehenden Ergänzungsbescheid gem. § 179 Abs. 3 AO wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr erlassen.
Mangels einer Regelung zu den der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. unterliegenden Einkünften bildete der entsprechende Gewinnfeststellungsbescheid insoweit keinen Grundlagenbescheid für die ESt-Bescheide der Beteiligten. Folglich konnte das FA einen ESt-Bescheid, in welchem die der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. unterliegenden Einkünfte unrichtig angesetzt wurden, nicht – wie geschehen – unter Berufung auf die angebliche Nichtübereinstimmung des ESt-Bescheids mit dem Gewinnfeststellungsbescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO korrigieren. Das gilt sowohl für eine Fehlerkorrektur zulasten des Steuerpflichtigen (wie sie hier in Rede stand) als auch für eine solche zugunsten des Steuerpflichtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.08.2007, X R 39/02