Leitsatz
Ein Unternehmer, der im Rahmen sog. "Mailingaktionen" an gemeinnützige Organisationen in Italien ein Bündel von Leistungen zur Planung, Herstellung, Verteilung und Erfolgskontrolle von Serienbriefen erbringt, um deren Adressaten zur Zahlung von Spenden zu bewegen, führt gegenüber seinen Auftraggebern eine einheitliche sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG und keine steuerermäßigte Lieferung von Druckschriften aus.
Normenkette
§ 3 Abs. 9, § 3a Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage
Sachverhalt
Die in Deutschland ansässige S-GmbH, die Rechtsvorgängerin der Klägerin, war für in Italien ansässige gemeinnützige Organisationen tätig. Sie erstellte sog. "Mailings", die aus einer vor ihr erstellten Informationsbroschüre über die jeweilige gemeinnützige Organisation, einem Anschreiben und einem Überweisungsvordruck mit Kennziffer bestanden. Diese "Mailings" wurden an Personen versandt, die sich aus Adresslisten ergeben, die die S-GmbH von sog. Listeneignern angemietet hatte. Nach Versendung der "Mailings" erstellte die S-GmbH anhand der Kennziffern in den Überweisungsaufträgen eine Statistik über die eingegangenen Spenden. Diese nachbereitenden Arbeiten dienten der Vorbereitung weiterer Mailings an die in der Statistik ausgewiesenen Spender.
Die S-GmbH hielt ihre Umsätze aus den Mailingaktionen des Jahrs 2001 (Streitjahr) für nicht steuerbar und nicht steuerpflichtig. Das FA war der Ansicht, es handle sich jeweils um eine gem. § 3a Abs. 1 UStG steuerpflichtige einheitliche sonstige Leistung und nicht um die Lieferung von Druckwerken zum ermäßigten Steuersatz.
Das FG teilte diese Auffassung und wies die Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.02.2006, 5 K 697/03, Haufe-Index 1511987, EFG 2006, 1014).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der für das Streitjahr 2001 geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für Lieferungen der in der Anlage bezeichneten Gegenstände. In Nr. 49 Buchst. a der Anlage zum UStG sind "Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke", auch in losen Bogen oder Blättern … genannt.
Im Besprechungsfall wurde nicht nur die Herstellung und Lieferung eines Druckwerks geschuldet, sondern mit der Anmietung geeigneter Adresslisten und der Auswertung der eingegangenen Spenden als Grundlage für weitere Werbemaßnahmen ein Leistungsbündel erbracht.
Dieses Leistungsbündel stellt sich als einheitliche Leistung dar, weil die einzelnen Leistungen aufeinander aufgebaut haben und eine Herauslösung der Beschaffung der Adresslisten künstlich erschiene (anders FG Köln, Urteil vom 13.02.2003, 15 K 600/99, Haufe-Index 917815, EFG 2003, 810).
2. Ob eine einheitliche Leistung, die sowohl Lieferelemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, umsatzsteuerrechtlich als Lieferung oder sonstige Leistung zu qualifizieren ist, richtet sich nach dem Wesen des Vorgangs und danach, welche Elemente qualitativ überwiegen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.12.2008, V R 55/06, BFH/NV 2009, 673, BFH/PR 2009, 183).
Bei einer qualitativen Abwägung liegt der wirtschaftliche Gehalt der jeweiligen Mailingaktion nicht in der Zuwendung der jeweiligen Serienbriefe (Lieferung von Druckwerken), sondern in der Anmietung der Adresslisten spendengeneigter Personen und der Erfolgskontrolle anhand der Spendeneingänge zur Optimierung weiterer Aktionen gem. der zugrunde liegenden Gesamtkonzeption. Bei der jeweiligen Mailingaktion handelt es sich deshalb nicht um die Lieferung eines Druckwerks zum ermäßigten Steuersatz, sondern um eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG).
3. Dass die einzelnen "Mailings"zolltariflich als steuerbegünstigte Lieferung klassifiziert werden, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Denn Ausgangspunkt für die Bestimmung des Steuersatzes ist zunächst die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Erst wenn umsatzsteuerrechtlich geklärt ist, dass es sich um die Lieferung eines Gegenstands handelt, ist zu entscheiden, ob der Gegenstand unter eine Nummer der Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände (Anlage zum UStG) fällt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.10.2009 – XI R 52/06