Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Wurde für die Schließzeiten während der Corona-Pandemie eine Verlängerung der Mitgliedschaft vereinbart, unterliegen die dafür geleisteten Mitgliedsbeiträge als Vorauszahlung der Umsatzsteuer.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt mehrere Fitnessstudios, deren Betrieb ihr ab dem 17.3.2020 durch Allgemeinverfügung der jeweiligen Kommunen aufgrund der Corona-Pandemie untersagt worden war. Mit E-Mail vom selben Tag teilte sie ihren Kunden/Mitgliedern mit, dass – sofern diese ihre Zahlung nicht zurückfordern – sich die Vertragslaufzeit bei Dauerverträgen um die Dauer der Schließung taggenau verlängert. Das jeweilige Mitglied musste hierzu nach Wiedereröffnung des Studios ein Formular ausfüllen, das die Trainingsgutschrift regelte. Nach der Wiedereröffnung konnten die Mitglieder anhand von zwei unterschiedlichen Vordrucken wählen, dass sich entweder das nächstmögliche ordentliche Vertragsende um die Zeit der Schließung verschiebt (Zeitgutschrift) oder dass sie einen übertragbaren Gutschein im Wert der während der Schließzeit gezahlten Beiträge erhalten. Von den etwa 17.000 Mitglieder machten knapp 3.000 Mitglieder von den Formularen Gebrauch, die Mehrzahl davon entschied sich für die Zeitgutschrift.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, sie habe gegenüber den Mitgliedern, die bis Ende des Jahres 2020 nicht von einem der Antragsformulare Gebrauch gemacht hätten, endgültig keine Leistungen für die während der Schließzeit im Wege des Lastschriftverfahrens weiterhin gezahlten Mitgliedsbeiträge erbracht. Die ihr dennoch belassenen Beiträge unterlägen mangels Leistungsaustauschs nicht der Umsatzsteuer. Dem folgte das Finanzamt nicht.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Danach hat das Finanzamt zu Recht die in der durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeiten fortgezahlten Mitgliedsbeiträge auch derjenigen Mitglieder, die nicht von einem der Antragsformulare Gebrauch gemacht hatten, als Anzahlung der Umsatzbesteuerung zugrunde gelegt. Nach Ansicht des Finanzgerichts hat die Klägerin ihren Mitgliedern durch die E-Mail vom 17.3.2020 angeboten, den jeweils geschlossenen Vertrag dahingehend zu ändern, dass sie ihre Leistung teilweise (taggenau für die Dauer der durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeit) im Anschluss an die reguläre Vertragslaufzeit (und das jeweilige Mitglied die Gegenleistung vorab während der Schließzeit) erbringt. Dieses Angebot hätten die Mitglieder konkludent angenommen, indem sie der durch die Klägerin veranlassten Lastschrift nicht widersprochen haben, wobei auf den Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 Satz 1 BGB verzichtet wurde. Auf den Zugang der Annahmeerklärung habe die Klägerin vorliegend konkludent verzichtet, indem sie eine Verlängerung der Mitgliedschaft um den Zeitraum der Schließung bei Fortzahlung in Aussicht gestellt hat. Daneben sei auch nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten gewesen, dass die Klägerin von rund 17.000 Mitgliedern Annahmeerklärungen erhalten wollte. Nachdem die jeweiligen Fitnessstudio-Verträge auf diese Weise geändert wurden, bedurfte es später keiner (erneuten) Änderung durch das Ausfüllen eines durch die Klägerin bereitgestellten Antragsvordrucks.
Hinweis
Zwischenzeitlich liegen mehrere Finanzgerichtsurteile vor, die sich mit der im Streitfall dargestellten Thematik auseinandersetzen. Die zugrunde liegenden Sachverhalte sind allerdings nicht vollständig identisch, sodass folgerichtig auch verschiedenartige Urteile vorliegen (vgl. FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 16.11.2022, 4 K 41/22 und FG Hamburg, Urteil v. 16.2.2023, 6 K 239/21).
Für die betroffenen Unternehmer geben insbesondere die Ausführungen des FG Hamburg Anlass zur Hoffnung. Danach könne keine Leistung vorliegen, mit der die Zahlung der Mitgliedsbeiträge in Zusammenhang stehe, sofern die Erbringung der Leistung rechtlich unmöglich sei. Diesbezüglich wurde klar auf das Urteil des BGH, Urteil v. 4.5.2022, XII ZR 64/21, hingewiesen. Das FG Hamburg hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem offenbar nur mit einem Aushang vor Ort und in den sozialen Medien Gratis-Monate für die Schließzeit angeboten wurden. Dadurch könne gerade kein Vertragsschluss angenommen werden, weil Schweigen keine Willenserklärung darstelle und es insoweit an der Annahme fehle. Auch die Weiterzahlung der Beiträge könne insoweit nicht als konkludente Annahmehandlung angesehen werden.
In jedem Fall sollten Betreiber von Fitnessstudios prüfen, ob sie unter Verweis auf die zwischenzeitlich beim BFH anhängig gewordenen Revisionsverfahren, Az beim BFH XI R 36/22 und Az beim BFH XI R 5/23 eine Änderung ihrer Steuerfestsetzung bzw. ein Ruhen des Verfahrens beantragen möchten.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil v. 23.05.2023, 5 K 59/22