Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zusammenfassung
Zum Jahreswechsel 2022/2023 besteht noch einmal die Chance, Sachverhalte des Veranlagungszeitraums 2022 zu prüfen und sich auf die Änderungen im Jahr 2023 einzustellen. Insbesondere müssen die auslaufenden und ggf. verlängerten Nichtbeanstandungsfristen der Finanzverwaltung beachtet werden. Wir geben einen kompakten Überblick über wichtige Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung im Jahr 2022 sowie einen Ausblick auf neue gesetzliche Regelungen für 2023.
1 Das ändert sich 2022/2023 im Umsatzsteuergesetz
Nachdem zum 1.1.2022 praxisrelevante Änderungen nur im Bereich der Durchschnittssatzbesteuerung der Land- und Forstwirte sowie eine Anpassung bei den Reiseleistungen vorlagen, sind im Jahr 2022 durch verschiedene Gesetze Änderungen in der Umsatzsteuer eingetreten. Änderungen des Umsatzsteuergesetzes haben sich ergeben durch:
- das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz,
- das Achte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen sowie
- das Jahressteuergesetz 2022.
1.1 Gesetz zur Absenkung des Steuersatzes für Gaslieferungen
Zum 1.10.2022 ist der Steuersatz für die Lieferung von Erdgas über das Erdgasnetz sowie für die Lieferung von Wärme durch ein Wärmenetz auf den ermäßigten Steuersatz von 7 % abgesenkt worden. Die temporäre Absenkung, die für den Zeitraum vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 gelten soll, ist in den zeitlich begrenzten Fassungen des Gesetzes in § 28 Abs. 5 und Abs. 6 UStG geregelt worden. Die Finanzverwaltung hat zeitnah zur Verabschiedung des Gesetzes ein Schreiben veröffentlicht, in dem neben den Anwendungsregelungen auch diverse Vereinfachungsregelungen mit aufgenommen worden sind.
Fiktive Teilleistungszeiträume
Grundsätzlich gilt, dass die Lieferung von Gas und Wärme mit Ablauf des jeweiligen Leistungszeitraums ausgeführt ist (i. d. R. der Ablesestichtag). Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn zu den Stichtagen der Steuersatzänderung (1.10.2022/31.3.2024) fiktive Teilleistungszeiträume abgerechnet werden. Wie bei jeder anderen Änderung der gesetzlichen Regelungen konserviert die Vereinnahmung von Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen oder Vorschüssen nicht den Steuersatz, der im Zeitpunkt der Vereinnahmung gilt.
Die Ermäßigung des Steuersatzes auf 7 % gilt für die folgenden Leistungen:
- Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, es kann sich dabei sowohl um Erdgas aber auch um Biogas handeln. Darunter fällt auch die Lieferung von Gas, das vom leistenden Unternehmer dem Erdgasnetz entnommen und sodann unmittelbar zum Leistungsempfänger weitertransportiert wird.
- Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz, unerheblich ist, aus welchem Wärmeträger die Wärme gewonnen wurde (Gas, Kohle, Heizöl, Holzpellets). Begünstigt soll damit jede Lieferung von Wärme aus einer Wärmeerzeugungsanlage sein.
- Legen eines Hausanschlusses für Gaslieferungen oder für Fernwärmelieferungen.
Die Finanzverwaltung hat darüber hinaus auch Vereinfachungen bzw. Nichtbeanstandungsregelungen für die jeweiligen Stichtage getroffen:
- Zulassung der Abrechnung nach Gastagen.
- Einräumung fiktiver Teilleistungszeiträume zum 1.10.2022 bzw. 31.3.2024.
- Vereinfachungsregelungen für Abschlagszahlungen (Abschlagsrechnungen müssen nicht korrigiert werden, es kann weiterhin mit 19 % besteuert werden mit Anpassung in der Jahresrechnung).
- Nichtbeanstandungsregelung für Lieferungen im November 2022 (in B2B-Fällen kann für Lieferungen im November 2022 der Umsatz mit 19 % besteuert werden, der Leistungsempfänger hat dann den Vorsteuerabzug der 19 % Umsatzsteuer, soweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist; dies soll entsprechend gelten, wenn der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet).
- Hinweise zu Änderungen der Bemessungsgrundlage (z. B. Jahresrückvergütungen, Jahresbonifikationen, Treueprämien etc.).
Anpassung in der Jahresrechnung
Die Finanzverwaltung lässt es zwar zu, dass die in Abschlagsanforderungen enthaltene Umsatzsteuer für Fälligkeitstermine ab dem 1.10.2022 nicht geändert werden muss, wenn der leistende Unternehmer die 19 % Umsatzsteuer abführt – eine Anpassung kann dann erst in der Jahresrechnung erfolgen. Dies wird in der Praxis wohl nur in Betracht kommen, wenn der Leistungsempfänger ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist. Bei Endverbrauchern wird die temporäre Belastung mit der Steuerdifferenz von 12 % kaum auf Akzeptanz stoßen.
Die Grundsätze sind für alle Umsätze vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 (soweit es nicht zu einer Verlängerung der Maßnahme kommen sollte) anzuwenden.
1.2 Achtes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen
1.2.1 Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen
Seit dem 1.7.2020 galt aufgrund des (ersten) Corona-Steuerhilfegesetzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstle...