Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zusammenfassung
Jedes Jahr zum Jahreswechsel besteht noch einmal die Chance, Sachverhalte des alten Veranlagungszeitraums zu prüfen und sich auf die Änderungen im neuen Jahr einzustellen. Gerade der Jahreswechsel 2024/2025 ist aufgrund der diversen gesetzlichen Änderungen eine besondere Herausforderung für die Praxis. Aber auch die Rechtsprechung und die Veränderungen bei der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung müssen in diesem Zusammenhang noch einmal für 2024 geprüft werden, gleichzeitig aber auch für das Jahr 2025 berücksichtigt werden. Wir geben einen kompakten Überblick über wichtige Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung im Jahr 2024 sowie einen Ausblick auf neue gesetzliche Regelungen für 2025.
1 Die gesetzlichen Änderungen im Umsatzsteuerrecht 2024/2025
Das Kalenderjahr 2024 war bzw. ist für gesetzliche Änderungen im Umsatzsteuerbereich ein besonderes Jahr gewesen. Während sich die gesetzlichen Veränderungen in den Vorjahren eher in Grenzen hielten, sind im Jahr 2024 diverse wesentliche Veränderungen verabschiedet worden bzw. sind auch schon in Kraft getreten. Wichtige Änderungen treten zum 1.1.2025 in Kraft. Darunter befinden sich auch 2 "Schwergewichte" im Umsatzsteuerrecht, die sicher noch in der folgenden Zeit zu Fragen und Anpassungsnotwendigkeiten führen werden: die neue E-Rechnung und die durch das Jahressteuergesetz eingeführte Reform der Kleinunternehmerbesteuerung. Daneben sind die zum 1.1.2024 ausgelaufene Absenkung des Steuersatzes für die Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen und die zum 1.4.2024 ebenfalls beendete Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Lieferung von Gas und Wärme fast schon "Geschichte", müssen aber im Zusammenhang mit der Jahressteuererklärung 2024 auch noch mit beachtet werden.
Für die Steueränderungen 2024, insbesondere zum Jahreswechsel 2024/2025 sind 3 Gesetzgebungsverfahren zu beachten, die zu Änderungen im Umsatzsteuerrecht geführt haben bzw. führen werden:
- das Wachstumschancengesetz,
- das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz sowie
- das Jahressteuergesetz 2024.
1.1 Wachstumschancengesetz
Das Wachstumschancengesetz sollte eigentlich schon im Jahr 2023 verabschiedet werden, das Gesetzgebungsverfahren ist aber aufgrund politischer Auseinandersetzungen erst nach Einschaltung des Vermittlungsausschusses im März 2024 abgeschlossen worden. Deshalb sind auch einige der in diesem Gesetzespaket enthaltenen Änderungen erst verspätet in Kraft getreten.
1.1.1 Überblick über die wichtigsten Änderungen
Durch das Wachstumschancengesetz haben sich sowohl mittelbar als auch unmittelbar Veränderungen des Umsatzsteuerrechts ergeben. Die wichtigsten Änderungen sind:
Eine mittelbare Änderung hat sich durch eine ertragsteuerrechtliche Anpassung ergeben: In § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ist die Grenze für Geschenke von geringem Wert von bisher 35 EUR auf 50 EUR rückwirkend zum 1.1.2024 angehoben worden. Dies wirkt sich mittelbar auf die Frage der unentgeltlichen Wertabgabe in § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG sowie unmittelbar auf die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern nach § 15 Abs. 1a UStG aus. Die Finanzverwaltung hat mittlerweile die diesbezüglichen Umsatzgrenzen im UStAE angepasst.
Prüfung aller Geschenke im Jahr 2024
Die in den ersten Monaten des Jahres 2024 als "nicht abzugsfähige Geschenke" erfolgten Buchungen ohne Vorsteuerabzug bis 50 EUR sollten noch einmal überprüft werden. Bei der Grenze von 50 EUR kommt es aber nicht auf das einzelne Geschenk an, sondern auf die Summe aller Geschenke eines Kalenderjahrs an eine Person.
Änderung bei der Möglichkeit zur Anwendung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG. Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist möglich, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat. Die Regelung ist rückwirkend zum 1.1.2024 in Kraft getreten.
Erstmalige Anwendung schon für 2024
Obwohl die Änderung erst im März 2024 verabschiedet worden war, konnte sie schon für 2024 in Anspruch genommen werden, wenn der Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2023 nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat.
- In § 4 Nr. 16 Buchst. m UStG ist geregelt worden, dass auch Verfahrenspfleger steuerfreie Leistungen ausführen, soweit ihre Preise genehmigt sind oder genehmigte Preise nicht überstiegen werden. Die Gesetzesänderung folgt der Rechtsprechung und ist zum 1.4.2024 in Kraft getreten.
- Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG ist um die im Rahmen einer Unterbringung oder freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 167 Abs. 1 i. V .m. § 317 FamFG für Minderjährige tätigen Verfahrensbeistände ergänzt wor...