OFD Hannover, Verfügung v. 20.6.2001, S 7300 - 113 - StH 542/S 7304 - 25 - StO 354/S 7175 - 18 - StH 532/S 7175 - 8 - StO 351
Bei den Werkstätten für Behinderte (WfB) handelt es sich um Einrichtungen zur Eingliederung von Behinderten in das Arbeitsleben. Sie haben zumeist die Rechtsform eines eingetragenen Vereins und sind in der Regel einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen. Ihr Angebot richtet sich an solche Behinderte, die wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen können, also grundsätzlich beruflich rehabilitationsfähig sind, die aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder beschäftigt werden können (§ 54 Abs. 2 SchwbG). Behinderte, die diese Aufnahmevoraussetzungen erfüllen, erhalten in der WfB nach einer Einweisungszeit von etwa zwei Jahren (sog. Arbeitstraining i.S. des § 4 Werkstättenverordnung Schwerbehindertengesetz – SchwbWV –, BGBl 1980 I S. 1365) einen ihrer Behinderung gerechten Arbeitsplatz. Für Schwerstbehinderte werden Arbeitsplätze in einem besonderen (sog. Förder-)Bereich bereitgehalten, auf denen unter erhöhter Betreuung einfachste Arbeiten (z.B. Sortieren oder Abfüllen von Erzeugnissen der Werkstatt) verrichtet werden.
Neben einem Arbeitsplatz bieten die WfB ihren Behinderten Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit an. Für diese soziale Rehabilitation unterhalten die WfB einen sog. begleitenden Dienst bestehend aus einem oder mehreren Sozialpädagogen/-arbeiter sowie verschiedenen pflegerischen und therapeutischen Fachkräften (§ 10 SchwbWV).
Ist zweifelhaft, ob ein Behinderter die erforderliche Werkstätteneignung besitzt, kann ein sog. Eingangsverfahren nach § 3 SchwbWV durchgeführt werden. Dieses Verfahren dauert grundsätzlich vier Wochen und findet im Arbeitstrainings- bzw. im Arbeitsbereich statt.
Zur Finanzierung ihrer Aufgaben erhalten die WfB u.a. eine sog. institutionelle Förderung durch die öffentliche Hand, in deren Rahmen insbesondere die Errichtung neuer Werkstattgebäude bezuschusst wird. Hierbei handelt es sich durchweg um echte Zuschüsse, die nicht aufgrund eines Leistungsaustauschverhältnisses erbracht werden und deshalb nicht der Umsatzsteuer unterliegen (vgl. Abschn. 150 Abs. 7 UStR 2000). Der laufende Betrieb der WfB wird im Wesentlichen durch pauschale Pflegegelder finanziert, die von der Arbeitsverwaltung bzw. vom Niedersächsischen Landesamt für zentrale soziale Aufgaben (NLZSA) für jeden aufgenommenen Behinderten gezahlt werden und sich nach den voraussichtlich anfallenden Ausgaben für Beköstigung, Beförderung, Beschäftigung, Betreuung, Pflege und ggf. Beherbergung der Behinderten sowie für die Verwaltung der Einrichtung bemessen. Diese Pflegegelder sind regelmäßig in vollem Umfang gem. § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit (siehe unten Tzn. 2a und 3a).
Entsprechend ihrer Aufgabenstellung lassen sich die WfB räumlich und sachlich in folgende Funktionsbereiche untergliedern:
1. Werkstattbereich
mit diversen Werkstatträumen für Arbeitstraining (§ 4 SchwbWV), Produktion (sog. Arbeitsbereich i.S. des § 5 SchwbWV) und zur Beschäftigung von Schwerstbehinderten (sog. Förderbereich), Lagerräumen, Meisterbüros sowie Umkleide-, Sanitär-, Aufenthalts- und Ruheräumen.
Die Anleitung der Behinderten während der Arbeit im Werkstattbereich ist nicht Gegenstand einer gesonderten Betreuungsleistung, sondern Teil des Produktionsprozesses. Damit werden im Werkstattbereich in der Regel nur steuerpflichtige Umsätze erzielt, z.B. aus dem Verkauf von Erzeugnissen und Ausstattungsgegenständen der Werkstatt (vgl. Abschn. 170 Abs. 4 Beispiel 5 UStR 2000). Diese Umsätze unterliegen grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG, weil der Werkstattbereich zum Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 AO gehört. Unter die Steuerermäßigung fällt auch der Verkauf von Waren, Halbzeug usw. an andere WfB, nicht jedoch die Veräußerung zugekaufter Erzeugnisse (Rdvfg. OFD Hannover vom 17.7.1998, S 2729 – 129 – StO 214/S 2728 – 229 – StH 223, KSt-Kartei OFD zu § 5 KStG Karte H 15.6).
Leistungen die von der WfB für den Werkstattbereich bezogen werden, berechtigen unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG zum uneingeschränkten Vorsteuerabzug (Abschn. 170 Abs. 4 Beispiel 5 UStR 2000).
2. Wirtschafts- und Versorgungsbereich
mit Speisesaal, Küche nebst Kühl- und Lagerräumen sowie Nebenräumen für das Küchenpersonal und der Technikzentrale für Heizung, Wasser, Energie und Pressluft.
a) Die Begünstigung der aufgenommenen Behinderten erfolgt im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschverhältnisses. Das Entgelt besteht aus den Zahlungen der Behinderten selbst, sowie aus den (anteiligen) Pflegegeldern der Arbeitsverwaltung und des NLZSA. Diese Pflegegelder stehen rechtlich dem Behinderten zu und werden in seinem überwiegenden Interesse unmittelbar an die WfB ausgezahlt (vgl. BFH-Urteile vom 15.6.1988, V R 137/83, UR 1989...