Leitsatz
1. Entgelt für eine Leistung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist alles, was der Leistende für seine Leistung vom Leistungsempfänger erhalten hat, außer der USt. Zahlt der Kunde die Leistung irrtümlich doppelt oder zahlt er versehentlich zu viel, ist der Gesamtbetrag Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 13.12.1995, XI R 16/95, BStBl II 1996, 208).
2. Werden Über- oder Doppelzahlungen zurückgezahlt, liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG vor.
Normenkette
§ 17, § 10 Abs. 1 UStG, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL, Art. 73 MwStSystRL
Sachverhalt
Die Klägerin erhielt – aus nicht aufklärbaren Gründen – in beträchtlichem Umfang Doppelzahlungen, von denen offenbar nur ein Teil zurückgezahlt werden musste. Die Klägerin ließ diese Doppelzahlungen im Jahr des Eingangs wie auch in dem Jahr, in dem sie die restlichen Rückzahlungsforderungen ausbuchte, umsatzsteuerrechtlich unberücksichtigt.
FA und FG meinten, in dem Zeitpunkt, in dem nicht mehr mit der Rückforderung zu rechnen sei, liege eine Entgeltserhöhung (§ 17 UStG) vor.
Entscheidung
Die Revision hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen Erfolg. Die Doppelzahlung war im Zahlungsjahr als Erhöhung der Bemessungsgrundlage zu erfassen. Die Rückzahlung war ggf. nach § 17 UStG als Minderung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.
Hinweis
Der Besprechungsfall betrifft die umstrittene Frage, wie umsatzsteuerrechtlich eine versehentliche Doppelzahlung einer Rechnung zu beurteilen ist. Z.T. wurde die Auffassung vertreten, es fehle an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Doppelzahlung, denn der Leistende erhalte die Zahlung nicht "für" die Leistung, sondern weil der Leistungsempfänger versehentlich zweimal die Rechnung zahle und beruhe auf einem Motivirrtum.
Nach dieser Auffassung wäre die Doppelzahlung letztlich umsatzsteuerrechtlich irrelevant.
Dem ist der BFH nicht gefolgt; er hat die bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach der Gesamtbetrag der tatsächlich erhaltenen Zahlungen das Entgelt für eine Leistung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG auch bei Überzahlungen darstellt, wenn sie aufgrund keines anderen Rechts- oder Anspruchsgrunds als dem der Leistung zugrunde liegenden erbracht wurden.
Nach dem Wortlaut der 6. EG-RL wie der MwStSystRL gehört zur Bemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten "erhält oder erhalten soll". Mit Rücksicht auf diese Anknüpfung an das "tatsächlich" erhaltene Entgelt wurde § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967, der vom "vereinbarungsgemäßen" Entgelt sprach, geändert. Zweck der Vorschrift ist es, die USt letztlich nach dem Entgelt zu bemessen, das sich aufgrund der vom Leistenden wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt.
Dass der Zahlende zivilrechtlich einen Bereicherungsanspruch in Höhe der Doppelzahlung hat, ist unerheblich, solange dieser nicht erfüllt wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Erteilung einer Gutschrift erst dann zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage, wenn der Kunde tatsächlich über die Gutschrift durch Auszahlung oder anderweitig verfügt hat. Dann kann aber nichts anderes gelten, wenn der Steuerpflichtige ein erhöhtes Entgelt für seine Leistung erhalten hat und eine – aber nicht realisierte – Rückzahlungsverpflichtung besteht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.07.2007, V R 11/05