Leitsatz
1. Auch ein "Strohmann" kommt als leistender Unternehmer in Betracht. Dementsprechend können auch dem Strohmann die Leistungen zuzurechnen sein, die der sog. Hintermann als Subunternehmer im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 13.7.1994, XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168).
2. Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft dann, wenn es zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene – ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende – Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr.1 UStG , § 41 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Eine Bau-GmbH (Antragstellerin) begehrte den Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Subunternehmern (GmbHs). FA und FG vertraten die Auffassung, es fehle an der für den Vorsteuerabzug erforderlichen Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer. Erbringe der Rechnungsaussteller nur "Servicedienste", indem er Dritten, Schwarzarbeiterkolonnen, gegen Provision ermögliche, unter fremden Namen Verträge abzuschließen, Rechnungen zu erstellen und Gelder zu vereinnahmen, fehle es an der Identität zwischen Rechnungsaussteller und tatsächlich leistendem Unternehmer. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall hinsichtlich der zuvor genannten GmbHs vor.
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, weil allein der Umstand, dass der "Service" der Strohmann-GmbHs gegenüber den "Hintermännern" auch und gerade darin bestand, nach außen, im Verhältnis zu Dritten, die Aufträge im eigenen Namen, aber für Rechnung der "Hintermänner" abzuwickeln, nicht schon die Annahme rechtfertigt, auch die Antragstellerin habe die Verträge nur zum Schein abgeschlossen, tatsächlich aber die Erbringung der Bauleistungen mit den auf dem Bau tätigen oder anderen Personen vereinbart. Das kann so gewesen sein; für diese Annahme genügte nicht schon der Hinweis darauf, die Antragstellerin sei "Brancheninsider".
Beachten Sie aber ab 1.1.2002 für Werklieferungen und sonstige Leistungen im Ausland ansässiger Unternehmer die neue Regelung der Steuerschuldnerschaft in § 13b UStG.
Hinweis
Die viel beachtete Vorentscheidung des FG Düsseldorf war vor dem Hintergrund des Umsatzsteuerbetrugs im Baugewerbe verständlich. Umsatzsteuerrechtlich ist Bodenhaftung notwendig. Gleichgültig, ob dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug verwehrt werden soll, weil die Leistung einem "Hintermann" zuzurechnen sei, oder ob der Strohmann sich gegen seine Inanspruchnahme als Unternehmer wendet – es gelten dieselben Grundsätze.
Für den Vorsteuerabzug gilt: Der Unternehmer darf die für bezogene Leistungen in Rechnung gestellte Vorsteuer abziehen, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind. Es kommt deshalb darauf an, wem die berechneten Leistungen zuzurechnen sind, dem "Strohmann" oder dem "Hintermann".
Wer Leistender ist, ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Entscheidend ist, ob der Handelnde im eigenen oder im fremden Namen auftritt, ob Rechnungsaussteller derjenige ist, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist; ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch andere – Subunternehmer – ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt. Ob er für eigene oder fremde Rechnung handelt, berührt das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Leistungsverhältnis nicht.
Unerheblich ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, aus welchem Grund derjenige, für dessen Rechnung der "Strohmann" handelt, nicht als Leistender in Erscheinung treten will. Unbeachtlich sind nur Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO); das setzt aber voraus, dass auch der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene – ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende – Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will. Dafür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Es reicht nicht schon der Hinweis auf bekannte kriminelle Praktiken im Baugewerbe.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 31.01.2002, V B 108/01BFH, Beschluss vom 31.1.2002, V R 108/01