Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Bei der Anwendung des zutreffenden Steuersatzes beim Legen eines Hauswasseranschlusses muss die Finanzverwaltung ein zweites Mal nachbessern. Nachdem der EuGH und der BFH das Verlegen eines Hauswasseranschlusses unter den Begriff der Lieferung von Wasser fassten, hatte die Finanzverwaltung 2009 den ermäßigten Steuersatz unter bestimmten Voraussetzungen für das Verlegen eines Hauswasseranschlusses angewendet. Nach der damals vertretenen Auffassung war die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aber davon abhängig, dass die Leistung von einem Wasserversorgungsunternehmen ausgeführt wurde. Ob die Leistung an den späteren Wasserbezieher oder einen Dritten erbracht wurde, war hingegen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unerheblich.
Nachdem der BFH aber entschieden hatte, dass das Legen eines Hauswasseranschlusses auch dann als "Lieferung von Wasser" i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG anzusehen ist, wenn diese Leistung nicht von dem Wasserversorgungsunternehmen erbracht wird, das das Wasser liefert, war diese einschränkende Sichtweise nicht mehr haltbar.
Die Finanzverwaltung setzt jetzt dieses Urteil um und gibt weitere Hinweise in diesem Zusammenhang:
- Legen eines Hauswasseranschlusses: Der Hauswasseranschluss ist die Verbindungsstelle zwischen der Wasserleitung des Versorgungsunternehmers und den Leitungen des Verbrauchers bzw. den Hauseinführungen. Das Legen des Hauswasseranschlusses umfasst dabei alle dazu notwendigen Leistungen einschließlich der üblichen Nebenleistungen (z. B. Bodenaushub). Nicht begünstigt sind Arbeiten, die der Herstellung eines Mehrfachanschlusses (Strom, Telekommunikation, Gas und Wasser) dienen.
- Person des leistenden Unternehmers: Im Gegensatz zu dem BMF-Schreiben aus 2009 stellt die Finanzverwaltung jetzt fest, dass es egal ist, ob der leistende Unternehmer das Wasserversorgungsunternehmen oder ein Bauunternehmen ist. Die Wasserversorgung und die Herstellung des Hauswasseranschlusses müssen nicht durch denselben Unternehmer erfolgen.
- Person des Leistungsempfängers: Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist es nicht notwendig, dass der Leistungsempfänger der Herstellung des Hauswasseranschlusses auch der Leistungsempfänger der Wasserlieferung ist.
- Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens: Die Finanzverwaltung stellt klar, dass sich durch die Rechtsprechung des BFH keine Änderung bei der Einordnung der Leistung als Bauleistung i. S. d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ergeben hat. Damit bleibt es bei der Übertragung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger, wenn dieser ein Unternehmer ist, der selbst Bauleistungen ausführt.
- Bezeichnung der Leistung: Wie die Leistung in dem Vertrag oder der Rechnung bezeichnet wird, ist für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unerheblich. Handelt es sich wirtschaftlich um die Verlegung des Hauswasseranschlusses, kommt es zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes.
- Reparatur- und Wartungsleistungen: Auch Reparatur-, Wartungs- und ähnliche Kosten an den Hauswasseranschlüssen unterliegen – sowohl bei Leistung durch den Wasserversorger oder einen Bauunternehmer – dem ermäßigten Steuersatz.
Konsequenzen für die Praxis
Die Änderungen in der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung werden nicht direkt in den UStAE aufgenommen. Es wird lediglich in Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 UStAE ein Hinweis auf das BMF-Schreiben aufgenommen.
Die Regelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für alle Leistungen, die vor dem 1.1.2021 ausgeführt worden sind, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Leistung entsprechend der früheren Auffassung der Finanzverwaltung mit dem Regelsteuersatz besteuert wird. Dies gilt sowohl für den leistenden Unternehmer als auch für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers. Dies betrifft die Leistungen, die von Unternehmern, die nicht Wasserversorgungsunternehmen sind, im Zusammenhang mit der Herstellung von Hauswasseranschlüssen ausgeführt wurden.
Hat der leistende Unternehmer aber seine Rechnung auf den ermäßigten Steuersatz berichtigt, muss auch der Leistungsempfänger seinen Vorsteuerabzug entsprechend anpassen.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 4.2.2021, III C 2 – S 7221/19/10004 :001, BStBl 2021 I S. XXX.