BMF, Schreiben v. 12.10.1993, IV A 2 - S 7100 a - 29/93, BStBl I 1993, 913
Bezug: Mein Schreiben vom 27. Juli 1993 - IV A 2 - S 7100 a - 10/93 - und Ihre Stellungnahmen
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Behandlung von innergemeinschaftlichen Lohnveredelungen nach UStG § 1 a Abs. 2 Nr. 2 und UStG § 3 Abs. 1 a Nr. 2 UStG folgendes:
I. Allgemeines
(1) Eine im Inland ausgeführte innergemeinschaftliche Lohnveredelung gilt aus der Sicht des inländischen Auftragnehmers unter den Voraussetzungen des UStG § 3 Abs. 1 a Nr. 2 UStG als Lieferung gegen Entgelt, die nach UStG § 4 Nr. 1 Buchstabe b i. V. m. UStG § 6 a Abs. 2 Nr. 2 UStG als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein kann. Eine im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte innergemeinschaftliche Lohnveredelung gilt aus der Sicht des inländischen Auftraggebers unter den Voraussetzungen des UStG § 1 a Abs. 2 Nr. 2 UStG als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt. Diese Fiktionen gelten nur, wenn der Auftraggeber der innergemeinschaftlichen Lohnveredelung die Voraussetzungen für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs erfüllt und mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) auftritt; UStG § 3 c UStG ist nicht anzuwenden.
(2) Eine innergemeinschaftliche Lohnveredelung setzt voraus, daß bei einer sonstigen Leistung aufgrund eines Werkvertrages (Werkleistung, vgl. Abschn. IV Nr. 1) aus vom Auftraggeber übergebenen Gegenständen im Gemeinschaftsgebiet ein Gegenstand anderer Funktion (vgl. Abschn. IV Nr. 2) hergestellt wird. Ist diese Voraussetzung bei einer Werkleistung nicht erfüllt, hat der Auftragnehmer die Besteuerung in dem Mitgliedstaat vorzunehmen, in dem er ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird (UStG § 3 a Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c UStG). Der Auftraggeber kann sich die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer des anderen Mitgliedstaates entsprechend den Voraussetzungen der 8. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern vom 6. Dezember 1979 (ABl. EG Nr. L 331 S. 11) von diesem Staat vergüten lassen.
II. Innergemeinschaftliche Lohnveredelung aus der Sicht des inländischen Auftragnehmers (Veredelers)
(1) Unter den folgenden Voraussetzungen gilt eine Werkleistung beim Auftragnehmer (Veredeler) als Lieferung gegen Entgelt:
- Die Werkleistung wird im Inland ausgeführt.
- Es werden Gegenstände durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer übergeben.
- Aus den Gegenständen wird ein Gegenstand anderer Funktion hergestellt.
- Der hergestellte Gegenstand gelangt zur Verfügung des Auftraggebers in das übrige Gemeinschaftsgebiet.
Der Auftragnehmer gilt als Lieferer. Die Lieferung gilt nach UStG § 6 a Abs. 2 Nr. 2 UStG als innergemeinschaftliche Lieferung. Sie ist unter den weiteren Voraussetzungen des UStG § 6 a UStG nach UStG § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG steuerfrei.
Beispiel 1
Der spanische Unternehmer S übergibt dem deutschen Unternehmer D Leder und beauftragt ihn, aus dem Leder Handschuhe zu fertigen. D erfüllt den Auftrag und befördert die Handschuhe anschließend an S nach Spanien. D erbringt mit der Verarbeitung des Leders zu Handschuhen eine funktionsändernde Werkleistung, die nach UStG § 3 Abs. 1 a Nr. 2, UStG § 6 a Abs. 2 Nr. 2 UStG als innergemeinschaftliche Lieferung gilt.
(2) Es ist unerheblich, auf welchem Wege die vom Auftraggeber übergebenen Gegenstände an den Auftragnehmer gelangen. Der Auftraggeber kann die Gegenstände auch im Inland erworben haben. In diesem Fall kann die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen auch für die Lieferung der Gegenstände in Betracht kommen, obwohl die Gegenstände erst bearbeitet oder verarbeitet in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen (UStG § 6 a Abs. 1 Satz 2 UStG).
Beispiel 2
Der Unternehmer F aus Frankreich erwirbt bei dem Unternehmer D 1 in Deutschland Bleche. D 1 befördert die Bleche im Auftrag des F zu dem deutschen Unternehmer D 2, der daraus im Auftrag des F Karosserieteile stanzt. D 2 versendet die Karosserieteile an F nach Frankreich. Sowohl D 1 als auch D 2 bewirken innergemeinschaftliche Lieferungen (D 1 nach UStG § 6 a Abs. 1 Satz 1 und 2, D 2 nach § 6 a Abs. 2 Nr. 2 UStG).
(3) Eine innergemeinschaftliche Lohnveredelung liegt nicht vor, wenn der bearbeitete oder verarbeitete Gegenstand nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, sondern im Inland verbleibt oder in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird. Für die Annahme einer innergemeinschaftlichen Lohnveredelung ist es nicht erforderlich, daß der Gegenstand in den gleichen Mitgliedstaat gelangt, in dem der Auftraggeber ansässig ist. Der Gegenstand gelangt nicht zur Verfügung des Auftraggebers in das übrige Gemeinschaftsgebiet, wenn der Veredeler die Verfügungsmacht im Auftrag des Auftraggebers unmittelbar einem Dritten im übrigen Gemeinschaftsgebiet verschafft.
Beispiel 3
Der Unternehmer B aus Belgien übergibt dem deutschen Unternehmer D 1 Leder und beauftragt ihn, daraus Schuhe zu fertigen. D 1 erfüllt den Auftrag und versendet die fert...